Rz. 116

Nach Art. 20 Digitale-Inhalte-RL ist der Unternehmer, der einem Verbraucher für die nicht erfolgte oder nicht vertragsgemäße Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen infolge eines Handelns oder Unterlassens einer Person in vorhergehenden Gliedern der Vertragskette haftet, berechtigt, den oder die innerhalb der gewerblichen Vertragskette Haftenden in Regress zu nehmen, wobei die Richtlinie dem nationalen Gesetzgeber die Entscheidung darüber überlässt, welche Person der Unternehmer in Regress nimmt und welche entsprechenden Maßnahmen und Bedingungen für die Geltendmachung der Rückgriffsansprüche er ergreift.

Der Rückgriffsanspruch nach Art. 20 Digitale-Inhalte-RL soll gemäß Erwägungsgrund 78 der Digitale-Inhalte-RL auf den Geschäftsverkehr beschränkt werden. Nicht erfasst werden sollen Konstellationen, in denen der Unternehmer gegenüber dem Verbraucher wegen einer Vertragswidrigkeit digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen haftet, die auf einer Software aufbauen, die ohne die Zahlung eines Preises im Rahmen einer freien und quelloffenen Lizenz von einer Person in vorhergehenden Gliedern der Vertragskette bereitgestellt werden.

Damit ist vom Anwendungsbereich des Art. 20 Digitale-Inhalte-RL insbesondere die Open Source Software ausgenommen.[576]

Vgl. auch Art. 3 Abs. 5 Buchst. f Digitale-Inhalte-RL, der Verträge vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausnimmt, die Software zum Gegenstand haben, die der Unternehmer im Rahmen einer freien und quelloffenen Lizenz anbietet, wenn der Verbraucher keinen Preis zahlt und die vom Verbraucher bereitgestellten personenbezogenen Daten durch den Unternehmer ausschließlich zur Verbesserung der Sicherheit, der Kompatibilität oder der Interoperabilität dieser speziellen Software verarbeitet werden.

 

Rz. 117

§ 327u BGB regelt in Umsetzung von Art. 20 Digitale-Inhalte-RL den Rückgriff des Unternehmers bei digitalen Produkten.

 

Beachte

§ 327u BGB ist nach der Klarstellung in § 327t BGB nur auf Verträge zwischen Unternehmern anzuwenden, d.h. in der Relation B2B, die die Bereitstellung digitaler Produkte (welche vom Anwendungsbereich der §§ 327 und 327a BGB umfasst werden, zum Gegenstand haben. Im Verhältnis zum Kaufrecht gilt Folgendes:

§ 327t BGB ist lex specialis gegenüber den §§ 327 ff., soweit der Regressanspruch des Unternehmers gegenüber einem Vertragspartner betroffen ist, und der letzte Vertrag in der Lieferkette Verbrauchervertrag (B2C-Vertrag) ist, was auch § 445c BGB klarstellt.[577]
Steht im letzten Glied der Vertragskette hingegen ein B2B-Vertrag in Rede, gelangen die §§ 445a ff. BGB zur Anwendung mit der Folge, dass es keines Rückgriffs auf § 327u BGB bedarf.[578]

Der Unternehmer kann von dem Unternehmer, der sich ihm gegenüber zur Bereitstellung eines digitalen Produkts verpflichtet hat (Legaldefinition des Vertriebspartners [Vertragspartner] als Schuldner, "der sich im vorletzten Glied der Vertragskette gegenüber dem betreffenden Letztunternehmer zur Bereitstellung eines digitalen Produkts verpflichtet hat,"[579] d.h. der Vertragspartner, von dem der Unternehmer das digitale Produkt bezogen hat), nach § 327u Abs. 1 Satz 1 BGB Ersatz der Aufwendungen verlangen,[580] die ihm im Verhältnis zu einem Verbraucher wegen einer durch den Vertriebspartner verursachten (i.S.e. kausalen Zusammenhangs, der in einem Tun oder Unterlassen bestehen kann)[581] unterbliebenen Bereitstellung des vom Vertriebspartner bereitzustellenden digitalen Produkts, d.h. eine vom Vertriebspartner verursachten Vertragsverletzung, aufgrund der Ausübung des Rechts des Verbrauchers nach § 327c Abs. 1 Satz 1 BGB entstanden sind (d.h. Aufwendungen infolge der Ausübung des Rücktrittsrechts und der Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses).[582]

 

Rz. 118

§ 327u Abs. 1 BGB hat aber zur Voraussetzung, "dass auf der letzten Stufe der Vertragskette ein Verbrauchervertrag steht",[583] sowohl beim Vertriebspartner als auch beim Regressnehmenden muss es sich hingegen um einen Unternehmer (i.S.v. § 14 BGB) handeln.[584]

 

Beachte

Der Aufwendungsersatzanspruch des Unternehmers "ist allerdings auf die Befriedigung bestimmter Verbraucherrechte beschränkt – auffallend ist, dass der Unternehmer keinerlei Ansprüche nach § 327u BGB gegen seinen Vertriebspartner hat, wenn der Verbraucher den Weg der Vertragsbeendigung, der Minderung oder des Schadensersatzes gewählt hat".[585]

Erfasst werden sowohl Handlungen als auch Unterlassungen. Nach Art. 20 Digitale-­Inhalte-RL[586] soll der Unternehmer nämlich den oder die innerhalb der gewerblichen Vertragskette Haftenden in Anspruch nehmen können, wenn er selbst vom Verbraucher in Anspruch genommen worden ist.

 

Beachte

Nach Erwägungsgrund 20 der Digitale-Inhalte-RL[587] sollen die Rechte des Unternehmers auf den Geschäftsverkehr beschränkt bleiben. Hintergrund dafür ist die im Bereich der Erstellung von Software übliche Verwendung von Software-Bestandteilen, "welche unter einer Open Source-Lizenz i.S.d. § 327 Abs. 6 Nr. 6 BGB stehen. Um diese Art der ...

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