Frank-Michael Goebel, Claudia Wagener-Neef
Rz. 112
Eine Erhöhung gem. Nr. 1008 VV RVG erfolgt auch nur, wenn mehrere Personen die anwaltliche Tätigkeit gemeinschaftlich beauftragen. Es muss sich um mehrere Personen im Rechtssinne handeln, also entweder juristische oder natürliche Personen.
Rz. 113
Der Begriff des "Auftraggebers" i.S.v. § 7 Abs. 2 RVG und Nr. 1008 VV RVG ist nicht identisch anzuwenden. § 7 Abs. 2 RVG bezieht sich auf den Auftraggeber, der zur Zahlung der Vergütung des RA verpflichtet ist. Auftraggeber i.S.d. Nr. 1008 VV RVG sind die Personen, deren Rechtsangelegenheiten erledigt werden sollen. In vielen Fällen sind die Personen, die den Auftrag erteilen, identisch mit den Personen, deren Rechtsangelegenheit bearbeitet werden soll, wie z.B. beide Eheleute beauftragen den RA, eine gegen sie herangetragene gesamtschuldnerische Forderung abzuwehren (zwei Auftraggeber gem. Nr. 1008 VV RVG). Denkbar ist aber auch, dass mehrere Personen Auftraggeber sind und der RA nur die Interessen einer Person vertritt. Dies ist z.B. dann gegeben, wenn beide Elternteile den RA mit der Durchsetzung einer Schadensersatzforderung ihres Sohnes beauftragen. Bei dieser Konstellation hat der RA den Anspruch des Sohnes zu realisieren, mithin nur einer Person, so dass eine Erhöhung der Gebühr nicht stattfindet. Umgekehrt kann es vorkommen, dass ein Gesellschafter einer GbR den RA beauftragt, seine eigenen Interessen, die des Mitgesellschafters sowie die der GbR wahrzunehmen. Bei einer Person, die den Vertretungsauftrag erteilt hat, ergeben sich drei Personen i.S.v. Nr. 1008 VV RVG.
Nachfolgend Beispiele für das Vorliegen von Personenmehrheit:
Rz. 114
Beispiele
▪ |
Eheleute sind zwei natürliche Personen, |
▪ |
GbR zusammen mit einem oder mehreren Gesellschaftern (die GbR isoliert stellt keine Personenmehrheit dar, da sie nach der Rspr. rechtsfähig ist), |
▪ |
WEG zusammen mit einzelnen Eigentümern (die WEG isoliert stellt keine Personenmehrheit dar, da sie nach der Rspr. teilrechtsfähig ist), |
▪ |
OHG und ihre Gesellschafter (§§ 124, 128 HGB), |
▪ |
KG und der Komplementär, wobei die Komplementärin auch eine GmbH sein kann (GmbH & Co. KG) (§ 161 HGB), |
▪ |
Gesamtgläubiger (§ 428 BGB), |
▪ |
Gesamtschuldner (§ 421 BGB), |
▪ |
Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB), |
▪ |
Streitgenossen, |
▪ |
Vertreter = jede Art von Vertreter, auch gesetzlich; entscheidend ist die Anzahl der Vertretenen. Der Vertreter bleibt bei der Berechnung der Personenanzahl unberücksichtigt. |
Rz. 115
Keine Personenmehrheit liegt vor:
▪ |
Gesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit wie OHG, KG, GbR, eingetragene Partnerschaftsgesellschaft, auch nicht rechtsfähige Vereine (wg. § 54 S. 1 BGB) und Vor-GmbH, soweit sie den Auftrag isoliert erteilen und nicht auch ihre Gesellschafter persönlich den Auftrag erteilen; |
▪ |
Partei kraft Amtes wie Testamentsvollstrecker, Insolvenz-, Zwangs- oder Nachlassverwalter; |
▪ |
juristische Personen wie AG, GmbH, rechtsfähiger Verein, eingetragene Genossenschaft, Stiftungen; |
▪ |
juristische Personen des öffentlichen Rechts wie Staat, Gemeinden, Gemeindeverbände, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. |
Rz. 116
Voraussetzung für die Erhöhung aufgrund Mehrfachvertretung ist eine gemeinsame Beauftragung oder mehrere Einzelaufträge mindestens von zwei Auftraggebern in derselben Angelegenheit. Dabei reicht es aus, wenn nur ein zeitlich begrenzter Abschnitt oder ein einzelner Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit für mehrere Mandanten gilt. Unerheblich ist, ob alle gleichzeitig den Auftrag an den RA erteilen oder nacheinander.