Rz. 305

Schriftformklauseln in Arbeitsverträgen sind weit verbreitet. Die mit einer solchen Regelung erzielbaren Rechtswirkungen werden dabei allerdings oft überschätzt: Rein deklaratorische Regelungen (siehe hierzu das Beispiel unten Rdn 311) verfolgen und erfüllen wie schon beschrieben lediglich Dokumentations- und Beweiszwecke. Sie dienen lediglich als Appell an die Vertragsparteien und ggf. auch an die die Arbeitsverträge eines Unternehmens verwaltenden Personalabteilungen, Vertragsänderungen und -ergänzungen möglichst nur in schriftlicher und damit besser nachvollziehbarer Form vorzunehmen. Mit dieser beschränkten Wirkung sind Schriftformklauseln sowohl in individuell ausgehandelter Form als auch in AGB ohne Weiteres möglich.

1. Schriftformklausel und Vorrang der Individualabrede (§ 305b BGB)

 

Rz. 306

Die Erreichung des mit einer konstitutiven Schriftformklausel typischerweise primär verfolgten Ziels, jegliche Änderung oder Ergänzung des Vertrags nur noch in schriftlicher Form rechtswirksam zuzulassen, scheitert dagegen am in § 305b BGB vorgesehenen Vorrang der Individualabrede, soweit die Klausel in AGB vereinbart wird. Dieser Vorrang ist zwingend. Von den bisherigen vertraglichen Regelungen abweichende oder etwa auch die an sich vorgesehene Schriftform aufhebende Vereinbarungen setzen sich daher zwingend gegenüber jeglicher Schriftformklausel durch. Dies gilt unabhängig davon, ob die Individualabrede ausdrücklich oder nur stillschweigend getroffen wird.[375] Entgegen der Intention des Verwenders derartiger Klauseln und in Abweichung vom an sich klaren Wortlaut solcher Regelungen schützen Schriftformklauseln damit jedenfalls in AGB wegen § 305b BGB nicht vor formlosen, den Vertrag ergänzenden oder von ihm abweichenden Abreden. Dies gilt sowohl für die einfache als auch für die qualifizierte Schriftformklausel.[376]

[375] Schaub/Linck, § 35 Rn 15.
[376] Preis/Schneider, II, S. 30 Rn 10 f.

2. Unwirksamkeit wegen Irreführung des Vertragspartners?

 

Rz. 307

Nach Auffassung des BAG kann sich – je nach konkreter Ausgestaltung – die Unwirksamkeit einer Schriftformklausel darüber hinaus bereits aus § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ergeben.[377] Die Lektüre einer zu weit gefassten Schriftformklausel, die ohne jegliche Einschränkung nur noch schriftliche Vertragsänderungen und -ergänzungen zulässt, wird beim Vertragspartner des Klauselverwenders in aller Regel den Eindruck erzeugen, dass formlose Abreden insgesamt wirkungslos und nicht geeignet sind, den Vertragsinhalt zu ändern. Dieses Verständnis widerspricht allerdings wegen § 305b BGB offensichtlich der Rechtslage. Die Klausel ist damit geeignet, den Vertragspartner in die Irre zu führen und ihn von der Durchsetzung seiner Rechte abzuhalten. Dies wiederum hat nach Auffassung des BAG die Unwirksamkeit der Klausel nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zur Folge,[378] wobei allerdings auch hier gilt, dass sich der Verwender selbst nicht auf die Unwirksamkeit "seiner" Schriftformklausel berufen kann und diese damit trotz Unwirksamkeit u.U. zu seinem Nachteil wirkt.[379] Bei der Gestaltung von Schriftformklauseln ist daher jedenfalls darauf zu achten, dass der Vorrang der Individualabrede deutlich zum Ausdruck gebracht wird, um den Vorwurf der Irreführung des Vertragspartners zu vermeiden.

[378] BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07; In der genannten Entscheidung stellt das BAG auch klar, dass es keine generellen Vorbehalte gegenüber doppelten Schriftformklauseln hat. Diese seien unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nicht generell zu beanstanden. Das BAG stützt seine Argumentation hier allerdings zumindest in Teilen noch auf den damaligen, inzwischen geänderten Wortlaut des § 309 Nr. 13 BGB sowie auf den Gedanken, dass eine doppelte Schriftformklausel u.U. auch den Arbeitnehmer vor einer abändernden betrieblichen Übung schützen könne (vgl. hierzu jedoch auch die zwischenzeitliche Rechtsprechungsänderung durch BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 281/08).

3. Verhinderung betrieblicher Übung

 

Rz. 308

Ein anderes Motiv für die Aufnahme einer Schriftformklausel in einen Arbeitsvertrag ist oftmals der Wunsch des Klauselverwenders, das Entstehen von Ansprüchen aus betrieblicher Übung zu verhindern. Das BAG ist in der Vergangenheit verschiedentlich davon ausgegangen, dass eine Schriftformklausel durchaus geeignet sein kann, spätere Vertragsänderungen durch betriebliche Übung zu verhindern.[380] Dies soll allerdings nicht für eine bloß einfache Schriftformklausel gelten, da diese schon nach allgemeinen Regeln jederzeit auch ohne Einhaltung der Schriftform abbedungen werden kann.[381] Eine doppelte Schriftformklausel verdeutlicht dagegen, dass die Vertragsparteien auf die Wirksamkeit ihrer Schriftformklausel besonderen Wert legen und soll nach Auffassung des BAG in der Lage sein, das Entstehen von Ansprüchen kraft betrieblicher Übung zu verhindern.[382] Bemerkenswert ist insoweit die Begründung des BAG: Eine betriebliche Übung soll sich trotz § 305b BGB nicht gegenüber der doppelten Schriftformklausel durchsetzen, weil es sich bei der betrieblichen Übung nach dem Vers...

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