Rz. 155

Der Aspekt der Verschwiegenheit, insbesondere im Zusammenhang mit dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, gewinnt gerade im schnelllebigen Zeitalter von Globalisierung, Digitalisierung und Arbeiten 4.0 eine immer wichtigere Bedeutung. Egal, ob bestimmte Bau- und Konstruktionspläne, Fertigungsverfahren, Rezepturen, Marketingstrategien, Montageanleitungen oder die profane Kundenliste – die Liste derartiger Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ist lang. Nahezu genauso groß ist die Bedeutung für den Erhalt der Wertschöpfung bei einer Vielzahl betroffener Unternehmen. Dabei ist es nicht nur die viel zitierte "Cola-Rezeptur" oder der Quellcode eines der weltweit bekannten Tech-Unternehmen, selbst eine im Vergleich hierzu eher profane Kundenliste kann zu enormen Einbußen führen, bspw. im Zusammenhang mit dem Wechsel eines oder mehrerer Vertriebsmitarbeiter zu einem Konkurrenzunternehmen.

 

Rz. 156

Die wirtschaftliche Bedeutung des Geheimnisschutzes kommt auch in den verhältnismäßig scharfen gesetzlichen Rechtsfolgen bzw. Sanktionen zum Ausdruck. Hierbei sind vor allem die folgenden drei Ebenen zu unterscheiden:

Straftat: Die gravierendste Sanktion dürfte die Bestrafung des Arbeitnehmers wegen Geheimnisverrats (nunmehr) gemäß § 23 GeschGehG (früher § 17 UWG) sein. Allerdings handelt es sich hierbei lediglich um ein Antragsdelikt, sodass eine Strafverfolgung nur auf Antrag oder bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses erfolgt (vgl. § 23 Abs. 8 GeschGehG). Gleichwohl kommt in der Praxis eine parallele Verwirklichung des Straftatbestandes des Ausspähens von Daten gem. § 203 StGB in Betracht, welcher ein Offizialdelikt darstellt.[253]
(Fristlose) Kündigung: Darüber hinaus kann ein Verstoß auch einen wichtigen Grund "an sich" i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB darstellen, auch eine Abmahnung wird oftmals entbehrlich sein. Entsprechendes gilt beim (bloßen) Verdacht eines Geheimnisverrats, denn nach str. Rspr. kann allein der gegen einen Arbeitnehmer bestehende dringende Verdacht, sich unbefugt Betriebsgeheimnisse durch Herstellung und Speicherung einer privaten Datenkopie verschafft und dabei zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt zu haben, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung darstellen.[254]
Sonstige Sanktionen: Zudem kommt in zivilrechtlicher Hinsicht ein Anspruch auf Unterlassung künftiger Verletzungshandlungen in Betracht, in Eilfällen auch durchsetzbar auf Basis einer einstweiligen Verfügung auf Untersagung der Verwendung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen.[255] Daneben sind aber auch Schadenersatzansprüche von Bedeutung, wobei § 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2 i.V.m. § 23 GeschGehG sowie § 826 BGB mögliche Anspruchsgrundlagen bilden. Ferner ist aber auch eine Sanktionierung als Vertragsverletzung gem. §§ 280, 241 Abs. 2 BGB möglich. Mit Blick auf die Schadenskalkulation kann der Arbeitgeber im Grundsatz seinen eigenen konkreten Schaden einschließlich des entgangenen Gewinns einfordern oder den erwirtschafteten Gewinn herausverlangen. Zudem kommt der sog. Lizenzanalogie, insbesondere bei Verletzungen technischer Geheimnisse, große Bedeutung zu.[256]
 

Rz. 157

Die in diesem umfassenden Sanktionskatalog zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Bedeutung des Geheimnisschutzes dürfte vor einigen Jahren auch den Gesetzgeber dazu bewogen haben, das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis aus seinem gesetzlichen Schattendasein in § 17 UWG zu befreien und ein ganzheitliches Gesetz zum Schutz derartiger Betriebs- und Geschäftsheimnisse auf den Weg zu bringen (GeschGehG). Soweit die eine Seite der Medaille, die andere – aus Sicht von Unternehmen als Klauselverwender gleichsam die Kehrseite – folgt auf dem Fuße. Denn eines der zentralen Elemente des GeschGehG ist eine gesetzliche Definition des Geheimnisbegriffs selbst, die den Unternehmen – anders als in der Vergangenheit – schon im Vorfeld einige Maßnahmen abverlangt, um für den Ernstfall gewappnet zu sein und den rechtlichen Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nicht zu verlieren. Anders als früher ist dies bereits bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen, denn nur eine Klausel, die diese neuen Anforderungen berücksichtigt, kann dazu geeignet sein, einen effektiven Geheimnisschutz zu begründen.

[253] MAH ArbR/Reinfeld, § 30 Rn 26.
[256] Vgl. Scholtyssek/Judis/Krause, CCZ 2020, 23, 28.

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