Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensberechnung mit Lizenzanalogie bei Unterlizenz

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber unter Verletzung eines Betriebsgeheimnisses unlauteren Wettbewerb gemacht, so kann der Arbeitgeber den entstandenen Schaden im Wege der "Lizenzanalogie" berechnen, also Lizenzgebühren verlangen, die bei einer Lizenzvergabe erzielt worden wären.

2. Muß der Geschädigte selbst Lizenzgebühren zahlen und berechnet er deshalb für die hypothetische Unterlizenz einen marktüblichen Aufschlag, so kann er als Schaden nur den hypothetischen Unterlizenzaufschlag verlangen. Ob in Höhe der Hauptlizenzgebühr eine Schadensliquidation im Interesse des Hauptlizenzgebers möglich wäre, bleibt offen.

 

Normenkette

UWG § 1; BGB §§ 252, 249, 611; ZPO § 554

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 06.06.1984; Aktenzeichen 7 (22) Sa 393/77)

ArbG Siegburg (Entscheidung vom 28.02.1977; Aktenzeichen 1 Ca 12/77)

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von den Beklagten zu 1), 2) und 4) Schadenersatz wegen Verletzung eines Betriebsgeheimnisses.

Die Beklagten zu 1) bis 3) waren Arbeitnehmer des Klägers. Sie schieden am 31. Dezember 1976 aus dessen Unternehmen aus und gründeten die Beklagte zu 4). Unter Ausnutzung eines Rezepts zur Herstellung eines Reagenzes für die Auszählung von Thrombozyten in menschlichem Blut ("Thrombosol") begannen sie Anfang des Jahres 1977 verbesserte Konkurrenzprodukte herzustellen und zu vertreiben ("TTV" und "TTK"). Der Kläger hatte das Thrombosol- Rezept gegen Zahlung einer Lizenzgebühr erworben. Diese betrug 10 % seines Umsatzes in drei Jahren. Es handelte sich um ein Betriebsgeheimnis, das er nur dem Beklagten zu 1) zugänglich gemacht und zu dessen Wahrung sich dieser verpflichtet hatte. Ein dem Kläger zunächst erteiltes Patent wurde durch Nichtigkeitsurteil des Bundespatentgerichts vom 21. Juli 1983 wieder aufgehoben. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg.

Der Kläger hat im vorliegenden Rechtsstreit zunächst Unterlassung der Benutzung des Thrombosol-Rezepts, Auskunft über den Umsatz der Konkurrenzprodukte, Schadenersatz sowie Feststellung der Pflicht zum Ersatz des künftigen Schadens verlangt. Diese Klage blieb in den Vorinstanzen zunächst ohne Erfolg. Auf die Revision des Klägers hat der Senat durch Urteil vom 16. März 1982 - 3 AZR 83/79 - (BAG 41, 21 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Betriebsgeheimnis) die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses hat durch rechtskräftiges Teilurteil vom 23. November 1983 die Beklagten zu 1), 2) und 4) zur Auskunft verurteilt; die Auskunftsklage gegen den Beklagten zu 3) hat es abgewiesen. Zur Begründung hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, daß Herstellung und Vertrieb der Konkurrenzprodukte einen Sittenverstoß darstellten und die Beklagten daher gemäß § 1 UWG dem Kläger zur Auskunft über ihre Umsätze sowie zum Schadenersatz verpflichtet seien. Der Beklagte zu 3) sei nur am Vertrieb der Konkurrenzprodukte beteiligt gewesen; in seinem Fall sei ein wettbewerbswidriges Handeln nicht festzustellen. Die Beklagten zu 1), 2) und 4) haben daraufhin die Auskunft erteilt, daß ihre Umsätze bis zum 31. Januar 1979 eine Summe von 144.967,01 DM erreicht hätten.

In dem weiteren Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht hat der Kläger als pauschalierten Schadenersatz 15 % des Umsatzes der Beklagten verlangt. Er hat seinen Schaden nach einer entgangenen Lizenzgebühr berechnet und geltend gemacht, bei Erteilung einer Unterlizenz werde üblicherweise die Gebühr für die Hauptlizenz um 50 % erhöht. Da er selbst im Berechnungszeitraum (1. Januar 1977 bis 31. Januar 1979) 10 % vom Umsatz als Lizenzgebühr habe abführen müssen könne er 15 % vom Umsatz der Beklagten verlangen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu 1), 2) und 4) als Gesamt-

schuldner zu verurteilen, an ihn 21.745,07 DM

zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben vorgetragen, die Verletzung eines Betriebsgeheimnisses des Klägers könne einen Schaden nicht herbeigeführt haben. Denn inzwischen stehe rechtskräftig fest, daß das umstrittene Rezept nicht patentfähig sei. Außerdem könne der Kläger allenfalls 5 % des Umsatzes verlangen. In Höhe von 10 % sei ihm kein Schaden entstanden, weil er diesen Anteil selbst an den Erfinder als Lizenzgebühr abführen müsse.

Das Landesarbeitsgericht hat dem Klageantrag entsprochen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist teilweise begründet.

A. Das Rechtsmittel ist zulässig. Entgegen der vom Kläger vertretenen Rechtsauffassung wird die Revisionsbegründung den Anforderungen der §§ 73 Abs. 1 ArbGG, 554 ZPO gerecht. Der Kläger vermißt zu Unrecht eine gehörige Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil und die Rüge der Verletzung einer Rechtsnorm.

Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe die Rechtsgrundsätze der Schadensberechnung nach der sog. Lizenzanalogie verkannt, indem es dem Kläger als eigenen Schaden eine Unterlizenzgebühr von 15 % des Umsatzes zuerkannt habe. Darüber hinaus rügt die Revision, daß zwischen der Verletzung des Betriebsgeheimnisses und dem geltend gemachten Schaden kein Kausalzusammenhang bestehe. Die rechtliche Grundlage des angefochtenen Urteils wird damit in wesentlichen Punkten angegriffen. Das genügt.

B. In der Sache hat die Revision Erfolg, soweit das Berufungsgericht dem Kläger mehr als 5 % vom Umsatz der Beklagten als Schadenersatz zugesprochen hat.

I. Hinsichtlich des Anspruchsgrundes verweist das Berufungsgericht auf § 1 UWG und sein eigenes rechtskräftiges Urteil vom 23. November 1983, durch das festgestellt ist, daß die Beklagten im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vorgenommen haben, die gegen die guten Sitten verstoßen. Die Herstellung und der Vertrieb der Produkte "TTV" und "TTK", so hat das Berufungsgericht erkannt, sind sittenwidrige Handlungen. Damit steht die Schadenersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach rechtskräftig fest.

II. 1. Zur Schadenshöhe (§§ 249, 252 BGB) hat das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgeführt, der Kläger könne seinen Verdienstausfall nach der entgangenen Lizenzgebühr berechnen. Er selbst habe eine Lizenzgebühr von 10 % des Umsatzes zu zahlen; bei der Erteilung einer Unterlizenz werde üblicherweise ein Zuschlag von 50 % vereinbart, so daß dem Kläger insgesamt 15 % des von den Beklagten erzielten Umsatzes zustünden.

Die Revision hält dem entgegen, dem Kläger sei nur der Teil aus der hypothetischen Lizenzgebühr entzogen, der über den an den Hauptlizenzgeber zu zahlenden Anteil hinausgehe, hier also der Anteil von 5 %. Die Wertung des Landesarbeitsgerichts führe dazu, daß ein Lizenznehmer einen höheren Schadenersatz als ein Patentinhaber verlangen könnte. Diese Angriffe der Revision sind überzeugend.

2. Die Methode der Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie ist nicht zu beanstanden.

Es entspricht der Lebenserfahrung, daß dem Inhaber eines Betriebsgeheimnisses ein Schaden entsteht, wenn dieses von anderen Personen rechtswidrig genutzt wird. Dem Verletzten wird es aber regelmäßig sehr schwerfallen oder sogar unmöglich sein, seinen konkreten Schaden, insbesondere seinen entgangenen Gewinn nachzuweisen. Die hypothetischen Geschehensabläufe, die sich bei Wahrung des Betriebsgeheimnisses ergeben hätten, lassen sich nicht ohne weiteres darstellen. Deshalb haben die Zivilgerichte einen hinreichenden Anhaltspunkt für die Entstehung und die Höhe des Schadens darin gesehen, daß der alleinige Inhaber von Immaterialgüterrechten diese regelmäßig im Wege der Lizenzvergabe nutzen könnte. Die vom Verletzer ersparte Lizenzgebühr stellt sich dann als entgangener Gewinn des Rechtsinhabers dar.

Der Bundesgerichtshof hat diese Schadensberechnung bei der Verletzung von Patenten, Gebrauchsmustern, Geschmacksmustern und Urheberrechten anerkannt (BGHZ 57, 116, 117 f. = NJW 1972, 102), ferner bei Warenzeichenverletzungen, obwohl keine echte Lizenzerteilung in Frage stand und dem Geschädigten keine Ausschließlichkeitsposition übertragen war (BGHZ 34, 320; 44, 372 und 60, 168, 172 f.). In seinem Urteil vom 18. Februar 1977 - I ZR 112/75 - (NJW 1977, 1062 f.) hat er dieselben Grundsätze auch auf die unredliche Verwertung eines Betriebsgeheimnisses angewandt. Er hat ausgeführt, Betriebsgeheimnisse verschafften dem Unternehmer eine Rechtsposition, die sich dem Immaterialgüterrecht stark annähere; außerdem seien die Grenzen zwischen einer Erfindung und einer nichterfinderischen Leistung oft nicht leicht zu ziehen. Die Grundsätze der Schadensberechnung, die bei wettbewerbsrechtlich unzulässigen Nachahmungen anerkannt wurden, seien daher auch auf die Verletzung von Betriebsgeheimnissen anzuwenden. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Sie hat, soweit ersichtlich, in der Literatur keinen Widerspruch erfahren (vgl. die Nachweise bei Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 14. Aufl., Einleitung UWG Rz 355). Ihre Richtigkeit zeigt sich gerade bei der vorliegenden Fallgestaltung.

3. Das Berufungsgericht hat diese Rechtsgrundsätze seiner Schadensermittlung zugrunde gelegt, sie jedoch im Streitfall nicht richtig angewendet.

a) Die Annahme, dem Kläger sei ein Schaden in Höhe von 15 % des Umsatzes der Beklagten entstanden, ohne daß es darauf ankomme, ob der Kläger seinerseits 10 % an den Hauptlizenzgeber zahlen müsse, ist nicht richtig. Dieser Gedankengang verkennt den allgemeinen Schadensbegriff, der auch bei der Schadensberechnung im Wege der Lizenzanalogie gilt.

b) Die Rechtsprechung zur Lizenzanalogie geht davon aus, daß der Verletzte statt konkreter Berechnungen seines entgangenen Gewinns dasjenige als Schaden verlangen kann, was er erzielt hätte, wenn vom Verletzer eine Lizenz zur Benutzung des Betriebsgeheimnisses erworben worden wäre. Dieser Gedankengang bedarf der Ergänzung für den Fall der mehrstufigen Lizenzerteilung. Ist der Geschädigte selbst Hauptlizenznehmer, so kann sich die Lizenzanalogie nur auf eine hypothetische Unterlizenz beziehen. Der Verletzte gilt dann als geschädigt um den Betrag, den er bei der Erteilung einer Unterlizenz als Gewinn erzielt hätte. Diese Überlegung liegt auch der Begründung des Landesarbeitsgerichts zugrunde, mit der eine hypothetische Unterlizenzgebühr von 15 % ermittelt wurde. Daraus folgt dann aber ein hypothetischer Schadensausgleich. Der Unterlizenzgeber müßte einen Anteil der vollen Unterlizenzgebühr an den Hauptlizenzgeber abführen, weil anderenfalls die Hauptlizenzgebühr verkürzt würde und der Hauptlizenzgeber deshalb der Vergabe einer Unterlizenz nicht zugestimmt hätte. Die Vermögenseinbuße des Hauptlizenznehmers kann nicht höher sein, als ein mit der Vergabe der Unterlizenz erzielbarer Gewinn.

c) Das bedeutet nicht, daß ein Schädiger Einkünfte behalten dürfte, die er durch wettbewerbswidriges Verhalten erzielt hat. Bei der wettbewerbswidrigen Ausnutzung eines Betriebsgeheimnisses, für dessen Verwertung Lizenzgebühren zu zahlen sind, entsteht auch dem Hauptlizenzgeber ein Schaden, und zwar unabhängig davon, ob diesem ein eigenes gewerbliches Schutzrecht zur Verfügung steht. Hat der Hauptlizenzgeber kein eigenes Recht, um sich gegen eine Verletzung des Betriebsgeheimnisses bei seinem Hauptlizenznehmer zu wehren und Ersatz seines Schadens zu verlangen, so könnte für den Hauptlizenznehmer eine Schadensliquidation im Drittinteresse in Frage kommen (vgl. zu dieser Rechtsfigur MünchKomm-Grunsky, BGB, 2. Aufl., vor § 249 Rz 113 ff., 116; Staudinger-Medicus, BGB, 12. Aufl., § 249 Rz 191 ff.).

Diese Frage kann im Streitfall aber offenbleiben. Der Kläger hat es ausdrücklich abgelehnt, einen Schaden seines Lizenzgebers als Drittschaden geltend zu machen; trotz eines Hinweises des Gerichts vertritt er die Auffassung, die gesamten 15 % vom Umsatz der Beklagten stellten seinen eigenen Schaden dar, dessen Ersatz er im Wege der Lizenzanalogie für sich beanspruchen könne. Hinsichtlich des den eigenen Zuschlag übersteigenden Teils von 10 % ist sein Vorbringen aber aus den dargelegten Gründen unschlüssig. Die Klage ist deshalb insoweit abzuweisen.

Dr. Dieterich Schaub Griebeling

Halberstadt Dr. Kiefer

 

Fundstellen

DB 1986, 2289-2290 (LT1-2)

ARST 1987, 10-11 (LT1-2)

NZA 1986, 781-782 (LT1-2)

RdA 1986, 340

RdA 1986, 405

ZIP 1986, 1352

ZIP 1986, 1352-1354 (LT1-2)

AP § 611 BGB Betriebsgeheimnis (LT1-2), Nr 4

AR-Blattei, ES 1830 Nr 147 (LT1-2)

AR-Blattei, Wettbewerbsverbot Entsch 147 (LT1-2)

AfP 1988, 107

EzA § 252 BGB, Nr 4 (LT1-2)

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