Rz. 45

Gesetzliche Regelungen dahingehend, in welcher Art bzw. Höhe Überstunden zu vergüten sind, existieren nicht. In Ermangelung einer kollektiven oder individualvertraglichen Regelung gilt – wenn eine berechtigte Vergütungserwartung i.S.v. § 612 Abs. 1 BGB zu bejahen ist – grundsätzlich eine Grundvergütung für die Überstunden in Höhe des entsprechenden Bruchteils der Überstunden am Grundgehalt gem. § 612 Abs. 1 BGB als stillschweigend vereinbart.[67]

 

Rz. 46

Soweit keine kollektivrechtlichen Regelungen greifen, wird in der Praxis arbeitsvertraglich häufig die Leistung von Überstundenvergütung oder die Gewährung von bezahltem Freizeitausgleich[68] vereinbart. Der Arbeitgeber kann sich insoweit ein Wahlrecht vorbehalten, dessen Ausübung durch § 315 BGB begrenzt ist. Die Anordnung des Freizeitausgleichs muss ebenfalls billigem Ermessen i.S.v. § 315 BGB entsprechen.[69]

Die Höhe der Überstundenvergütung unterliegt als Hauptleistungsabrede lediglich einer Transparenzkontrolle und darf nicht sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB sein.[70] Zwar sehen viele Tarifverträge Zuschläge für Überstunden vor, eine allgemeine Verpflichtung Überstunden höher zu dotieren als Tätigkeiten innerhalb der Regelarbeitszeit besteht indes nicht. Zudem sind bei der Bemessung die Bestimmungen des Mindestlohngesetzes zu beachten (§§ 1, 3 MiLoG). Auch wenn der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn mit jeder geleisteten Arbeitsstunde entsteht, ist der Arbeitgeber nicht gehalten – zusätzlich zum bzw. unabhängig vom Grundgehalt – für jede Überstunde zumindest den Mindestlohn zu leisten.[71] Ausgehend von einer "monatlichen Durchschnittsbetrachtung"[72] darf unter Ansatz der Regelarbeitszeit und der geleisteten Überstunden vielmehr die auf eine geleistete Arbeitsstunde entfallende Vergütung den Mindest(stunden)lohn nicht unterschreiten. Bei der Leistung von Überstundenvergütung ist dies automatisch erfüllt, wenn jede Überstunde mit dem entsprechenden Anteil am Grundgehalt oder unmittelbar in Höhe des Mindestlohns ausgeglichen wird.

[67] ErfK/Preis, BGB, § 611a Rn 465.
[69] BAG v. 23.1.2001 – 9 AZR 26/00, NZA 2001, 597; weitergehend ErfK/Preis, BGB, § 611a Rn 487.
[70] ErfK/Preis, BGB, § 611a Rn 463.
[71] Vgl. auch Hümmerich/Reufels, § 1 Rn 3819 ff.; Lembke, NJW 2016, 3617.
[72] BAG v. 25.5.2016 – 5 AZR 135/16, AP MiLoG § 1 Nr. 1, Anm. Lembke.

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