Rz. 198

Nach § 60 Abs. 1 HGB dürfen Handlungsgehilfen ohne Einwilligung ihres Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dessen Handelszweig für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen; im Fall eines Verstoßes gegen diese Vorgaben kann der Prinzipal neben einer Unterlassung derartiger Wettbewerbshandlungen nach § 61 Abs. 1 HGB Schadensersatz fordern oder stattdessen verlangen, dass die vom Handlungsgehilfen auf dessen Rechnung getätigten Geschäfte als auf seine Rechnung abgeschlossen gelten.[285] Daneben sehen noch eine ganze Reihe weiterer gesetzlicher Vorgaben vergleichbare vertragliche Wettbewerbsverbote vor, bspw. § 88 AktG für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft oder in analoger Anwendung für den GmbH-Geschäftsführer,[286] § 284 AktG für persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA oder §§ 112, 113, 161 Abs. 2, 165 HGB für Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft. In Bezug auf Arbeitnehmer lässt sich ein vertragliches Wettbewerbsverbot ergänzend zu §§ 60, 61 HGB, die im Übrigen neben kaufmännischen Angestellten ("Handlungsgehilfen") für alle Arbeitnehmer gelten,[287] auch aus den allgemeinen vertraglichen Nebenpflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB ableiten.[288]

 

Rz. 199

In zeitlicher Hinsicht gilt das vertragliche Wettbewerbsverbot nach allgemeiner Auffassung für den gesamten Zeitraum der rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Mit Blick auf besonders praxisrelevante Fälle bedeutet dies, dass die vertraglichen Wettbewerbsverbote bis zum Ablauf der Kündigungsfrist und grundsätzlich auch während einer Freistellung des Arbeitnehmers – ob berechtigt oder nicht – gelten (vgl. Beispiel unter I.),[289] das gleiche gilt für allerlei ruhende Arbeitsverhältnisse bspw. aufgrund von Elternzeit oder auch im Rahmen der Altersteilzeit, selbst in der Freistellungsphase im Blockmodell.[290] Eine Ausnahme soll nach jüngerer Rechtsprechung des BAG nur dann vorliegen, wenn im Fall einer Freistellung die Anrechnung anderweitigen Verdiensts ausdrücklich vereinbart ist.[291]

 

Rz. 200

Darüber hinaus ist zu beachten, dass ein vertragliches Wettbewerbsverbot nach der Rspr. des BAG unter bestimmten Voraussetzungen auch noch für die Zeit nach einer rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses während eines laufenden Kündigungsschutzverfahrens bestehen kann, wenn sich die Kündigung später als unwirksam herausstellt; eine Konkurrenztätigkeit kann in diesen Fällen also den Grund für eine erneute Kündigung darstellen, bei deren Beurteilung dann aber eine Interessenabwägung vorzunehmen ist, die insbesondere die drei folgenden Gesichtspunkte zugunsten von Arbeitnehmern zu berücksichtigen hat:

(1) Die Wettbewerbstätigkeit ist erst durch die frühere (unwirksame) Kündigung ausgelöst worden;
(2) Der Wettbewerb war nicht auf eine dauerhafte Konkurrenz zum bisherigen Arbeitgeber angelegt, sondern stellte zunächst nur eine Übergangslösung für den Schwebezustand bis zur Klärung der Rechtslage dar;
(3) Dem Arbeitgeber wurde aufgrund der Art der Auswirkungen der Konkurrenztätigkeit nicht unmittelbar Schaden zugefügt.

Ohne eine ausdrückliche Einwilligung des Arbeitgebers laufen Arbeitnehmer während eines laufenden Kündigungsschutzprozesses also jedenfalls Gefahr, eine erneute (dann aber wirksame) Kündigung auszulösen, wenn sie parallel eine Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen aufnehmen.[292]

 

Rz. 201

Was die Rechtsfolgen angeht, ist zunächst zu berücksichtigen, dass § 60 HGB kein Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB darstellt, etwaige Konkurrenzgeschäfte also wirksam bleiben.[293] Gleichwohl kann der Arbeitgeber – auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes – Unterlassung verlangen,[294] darüber hinaus kommen in der Praxis vor allem Schadensersatz und eine Kündigung in Betracht.[295] Im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen, aber auch Eintrittsrechten gemäß § 61 Abs. 1 HGB ist allerdings die in der Praxis oftmals weniger bekannte spezielle Verjährungsvorschrift des § 61 Abs. 2 HGB zu beachten, wonach diese Rechte innerhalb von nur drei Monaten von dem Zeitpunkt an, zu dem der Arbeitgeber oder sein Vertreter von der Konkurrenztätigkeit Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen, verjähren. Diese kurze Verjährungsfrist ist deshalb so praxisrelevant, weil sie auch für konkurrierende schuldrechtliche und deliktische Ansprüche bspw. aus § 280 Abs. 1 BGB und/oder § 826 BGB gilt, denn § 61 HGB regelt die Rechtsfolgen von Wettbewerbsverstößen allgemein.[296]

[285] ErfK/Oetker, § 61 HGB Rn 1, 4, 5; Preis/Stoffels, II W 10 Rn 2.
[286] Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2020, 719.
[288] Grüneberg/Weidenkaff, § 611 BGB Rn 42a; Schaub/Vogelsang, § 54 Rn 4.
[289] BeckOK-ArbR/Hagen, § 60 HGB Rn 3.
[291] BAG v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, NZA 2007, 36; auch wenn diese Entscheidung schwerlich nachvollziehbar ist, ist sie in der Praxis bei Freistellungserklärungen unbedingt zu beachten.
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