Rz. 16

Insbesondere der vorsorgende Ehevertrag regelt potenziell einen weit in der Zukunft liegenden Zeitraum (Beispiel: Trennung und Scheidung 40 Jahre nach Vertragsabschluss). Der beratende Rechtsanwalt (und selbstverständlich auch der Notar) muss daher sich abzeichnende Rechtsprechungstendenzen berücksichtigen.

Dies gilt auch für "starke" Literaturmeinungen insbesondere renommierter Autoren. Erst recht sind sich bereits abzeichnende künftige Gesetzesvorhaben zu berücksichtigen. Als Beispiel kann die Kernbereichslehre des Bundesgerichtshofs dienen, die, was die Kontrollfestigkeit von Gütertrennungsverträgen anbelangt, in Fällen der Funktionsäquivalenz von Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich eine erste Erweiterung erfahren hat und im Übrigen in kritischer Diskussion steht.

I. Künftige tatsächliche Änderungen antizipierend berücksichtigen

 

Rz. 17

 

Beispiel

Es soll der nacheheliche Unterhalt geregelt werden. In der örtlichen Zeitung war zu lesen, dass der Arbeitgeber von F Kurzarbeit beantragt hat und möglicherweise Insolvenz anmelden muss.

II. Künftige rechtliche Änderungen antizipierend berücksichtigen

 

Rz. 18

 

Beispiel

M und F trennten sich am 1.1.2009. Es sollte Gütertrennung vereinbart und der Ausgleich des bisher entstandenen Zugewinns durch eine Ausgleichszahlung geregelt werden. Der Notartermin war für den 15.8.2009 vorgesehen. M hatte kein Anfangsvermögen und ein Endvermögen von 50.000 EUR. F hatte ein Endvermögen von 30.000 EUR, in der Ehe aber Schulden aus dem Anfangsvermögen von 70.000 EUR getilgt.

 

Rz. 19

Seit dem 1.9.2009 gilt das neue Zugewinnausgleichsrecht (EGBGB Art. 229 § 20). Nach § 1374 BGB a.F. waren die Schulden im Anfangsvermögen unerheblich, danach nicht mehr.

Zugewinnausgleichsberechnung nach altem Recht (ohne Indexierung): M schuldet F 10.000 EUR.
Zugewinnausgleichsberechnung nach neuem Recht: F schuldet M 25.000 EUR.

Darauf musste der Rechtsanwalt des M diesen hinweisen und eine entsprechende Regelung empfehlen.

 

Rz. 20

Als weiteres Beispiel kann die sich entwickelnde Diskussion um die Teilhabegerechtigkeit im Rahmen des Zugewinnausgleichs angeführt werden (§ 9 Rdn 342 ff.) Der Arbeitskreis 18 des 21. Deutschen Familiengerichtstages 2015 hat folgende Empfehlung ausgesprochen, die der Vorstand als Beschlussempfehlung an die Rechtsprechung verabschiedet hat:[7]

Zitat

"Der Güterstand der Gütertrennung ist auch in seiner jetzigen vorbehaltlosen Form verfassungsgemäß. Jedoch steht aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Teilhabeanspruch der Ehegatten auch am Vermögen das Güterrecht im Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts."

 

Rz. 21

Da Empfehlungen des Deutschen Familiengerichtstages dazu dienen, die Rechtsprechung zu beeinflussen und dies in der Vergangenheit schon oft entsprechend umgesetzt wurde, ist die Entwicklung insoweit im Auge zu behalten.

[7] Brühler Schriften zum Familienrecht Band 19, S. 176, 191.

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