Rz. 1752

Grundsätzlich gilt, dass der Unterhaltsgläubiger nur dann bedürftig ist, wenn er mit seinen prägenden und nichtprägenden Einkünften[1891] und durch Verwertung seines Vermögens den ihm zustehenden vollen Unterhalt nicht erreicht.[1892]

 

Rz. 1753

Während im Rahmen des Bedarfs und beim Pflichtigen im Rahmen der Feststellung der Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers zwischen prägenden und nichtprägenden Einkünften zu differenzieren ist, gilt dies für den Unterhaltsbedürftigen nicht.

 

Rz. 1754

Nichtprägende Einkünfte sind beim Pflichtigen grundsätzlich nicht einkommenserhöhend zu berücksichtigen, wohl aber bei der Beurteilung der Frage, ob die Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers gegeben ist.

Das unterhaltsrechtliche Nettoeinkommen des Bedürftigen ist um die unterhaltsrechtlichen zulässigen Abzugsposten zu bereinigen.[1893]

 

Rz. 1755

Nichtprägende Erwerbseinkünfte des Berechtigten sind vor Anrechnung um den Erwerbsbonus zu bereinigen, also mit 90 %.

In Höhe der Differenz zwischen dem Bedarf und den anzurechnenden Beträgen ist der Berechtigte bedürftig. Das Ausmaß seiner Bedürftigkeit richtet daher nach dem ungedeckten Bedarf. Dieser Teil also, der ungedeckte Bedarf, bestimmt die Höhe des zu leistenden Unterhalts, es sei denn der Verpflichtete ist in dieser Höhe nicht leistungsfähig.

 

Rz. 1756

Für den Fall notwendigen ungedeckten Mehrbedarfs besteht der volle Unterhalt aus dem Quotenunterhalt und dem ungedeckten Mehrbedarf.

In solchen Fällen erscheint es sinnvoll, die Anrechnung nicht bedarfsbestimmender Einkünfte, also solcher Einkünfte, die die Ehe nicht geprägt haben, in der Weise vorzunehmen, dass diese vorab um den Mehrbetrag bereinigt werden und der Differenzbetrag unterhaltsmindernd auf den Quotenunterhalt angerechnet wird.[1894] Allerdings darf ein Mangelfall nach § 1581 BGB nicht vorliegen.

 

Rz. 1757

 

Praxistipp

Mehrbedarf ist nur dann zu berücksichtigen, wenn er geltend gemacht wird. Unterbleibt die Geltendmachung, ist das nichtprägende Einkommen auf den Quotenunterhalt zu verrechnen.

 

Rz. 1758

Dies gilt für alle möglichen Mehrbedarfe, also für krankheits- und altersbedingten Mehrbedarf ebenso wie für ausbildungsbedingten Mehrbedarf. Trennungsbedingter Mehrbedarf wird allerdings vom BGH nicht mehr anerkannt.[1895]

 

Rz. 1759

In vollem Umfang anzurechnende Einkünfte des Berechtigten sind insbesondere:

Erwerbseinkünfte aus abhängiger Arbeit, aus selbstständiger Erwerbstätigkeit, aus Gewerbe oder aus Land- und Forstwirtschaft sowie Erwerbsersatzleistungen (Krankengeld, Arbeitslosengeld, Renten, Pensionen);
Vermögenseinkünfte aus Vermietung und Verpachtung, aus Kapital und sonstigem Vermögen sowie aus Wohnvorteilen und sonstigen Gebrauchsvorteilen des Vermögens;
Einkünfte aus sozialstaatlichen Zuwendungen und sonstigen staatlichen Leistungen (Wohngeld, BAföG-Leistungen, Steuererstattungen, Kindergeld, Leistungen aus Grundsicherung nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB XII);[1896]
Einkünfte aus nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit einem neuen Partner;[1897]
fiktiv zuzurechnende erzielbare Einkünfte aus unterlassener zumutbarer Erwerbstätigkeit oder Vermögensnutzung/Vermögensverwertung.
 

Rz. 1760

Nicht anzurechnen sind folgende Einkünfte:

Unentgeltliche Zuwendungen Dritter;
Sozialhilfe;
Wieder aufgelebte Witwenrente;
Arbeitnehmersparzulage;
Hausgeld des Strafgefangenen.
[1891] BGH NJW 1989, 1083; OLG Dresden FamRZ 2010, 649.
[1892] Kleffmann/Soyka/Kleffmann, 4. Kap. Rn 437.
[1894] So Wendl/Dose/Gutdeutsch, § 4 Rn 938.
[1895] Vgl. BGH FamRZ 2001, 986 einerseits und BGH FamRZ 1983, 146 andererseits.
[1897] BGH FamRZ 1995, 343.

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