Rz. 70

Für den Zuständigkeitsstreitwert wird in § 5 ZPO angeordnet: "Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand von Klage und Widerklage". Für den Gebührenstreitwert enthält § 45 GKG wichtige Sondervorschriften, die dem § 5 ZPO gegenüber Vorrang haben und die nachfolgend dargestellt werden sollen.

Bezüglich des Zuständigkeitsstreitwertes sei noch darauf hingewiesen, dass zwar die Gegenstände von Klage und Widerklage gemäß § 5 Hs. 2 ZPO nicht zusammengerechnet werden dürfen, aber der höhere von beiden Werten als Zuständigkeitsstreitwert heranzuziehen ist. Siehe auch Rdn 41 ff.

 

Beispiel:

Klage beim Amtsgericht auf Zahlung von 5.000,00 EUR, Widerklage auf Zahlung von 12.000,00 EUR. Zur Ermittlung des Zuständigkeitsstreitwertes dürfen beide Beträge nicht addiert werden. Für die Widerklage wäre das Landgericht sachlich zuständig; das Amtsgericht verweist den Rechtsstreit jedoch nur auf Antrag einer Partei dorthin (§ 506 ZPO). Siehe auch Rdn 63 f.

1. Klage und Widerklage (§ 45 Abs. 1 S. 1 GKG)

 

Rz. 71

Einen wichtigen Zusatz zum Additionsverbot des § 5 Hs. 2 ZPO für den Gegenstand von Klage und Widerklage enthält bezüglich des Gebührenstreitwertes der § 45 Abs. 1 S. 1 GKG, der unter bestimmten Voraussetzungen aus dem Additionsverbot ein Additionsgebot macht. Wann dies eintritt, hängt davon ab, ob Klage und Widerklage sich beziehen auf

denselben Streitgegenstand oder auf
verschiedene Gegenstände,

was also jeweils zu prüfen ist.

 

Rz. 72

Betreffen Klage und Widerklage denselben Streitgegenstand, gilt der einfache Wert dieses Streitgegenstandes (§ 45 Abs. 1 S. 3 GKG). Der Wert des Streitgegenstandes ist also nur einmal, nicht doppelt zu nehmen. Es handelt sich dann um denselben Streitgegenstand, wenn das Gericht nur einer Partei Recht geben kann, sich also beide Anträge gegenseitig ausschließen. Weitere Voraussetzung ist, dass Klage und Widerklage nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden. Sind die Werte von Klage und Widerklage unterschiedlich hoch, so nimmt man den höheren Wert von beiden.

Folgende Fälle mögen Ihnen als Anhaltspunkte dienen, wann Klage und Widerklage denselben Streitgegenstand haben:

Klage auf Leistung aus einem Vertrag und Widerklage auf Feststellung der Nichtigkeit des Vertrages
Klage auf Feststellung des Bestehens eines Vertrages und Widerklage auf Rückgabe der empfangenen Leistung
Klage auf Herausgabe einer Sache und Widerklage auf Feststellung, dass der Beklagte Eigentümer dieser Sache ist
Klage auf Herausgabe eines Kraftfahrzeuges und Widerklage auf Herausgabe der Fahrzeugpapiere (Zulassungsbescheinigung I und II. Beide Parteien nehmen für sich das Eigentum am Fahrzeug und an den Papieren in Anspruch (OLG Nürnberg, Beschluss vom 27.08.2019 – 13 W 2775/19).
 

Beispiel:

Klage auf Zahlung des Kaufpreises von 2.000,00 EUR und Widerklage auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages. Der Streitwert beträgt 2.000,00 EUR, eine Addition findet nicht statt, da es um denselben Gegenstand (den Kaufvertrag) geht. Besteht der Kaufvertrag nicht, so darf das Gericht dem Kläger auch keinen Zahlungsanspruch zuerkennen; erkennt das Gericht den Zahlungsanspruch zu, so kann es nicht gleichzeitig die Nichtigkeit des Kaufvertrages feststellen.

 

Rz. 73

Betreffen Klage und Widerklage verschiedene Gegenstände, so gelten deren zusammengerechneten Werte als Gegenstandswert (§ 45 Abs. 1 S. 1 GKG). Verschiedene Gegenstände liegen vor, wenn beide Parteien Recht bekommen, also beide Anträge nebeneinander bestehen können.

Folgende Fälle mögen Ihnen als Anhaltspunkte dienen, wann Klage und Widerklage verschiedene Gegenstände haben, sodass das Gericht beiden Klageanträgen stattgeben könnte:

Klage auf Leistung von Schadenersatz und Widerklage auf Feststellung, dass keine weiteren Schadenersatzansprüche bestehen
Klage auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) und Widerklage auf Zahlung des Kaufpreises
Klage auf Auflassung eines Grundstücks und Widerklage auf Zahlung des Kaufpreises – so die Rechtsprechung. Auch dies fällt unter den oben aufgestellten Grundsatz, dass beide Parteien Recht bekommen können sollen, denn man kann sich auch vorstellen, dass keine Partei leisten muss, falls der Kaufvertrag nichtig ist – dies passt aber auch unter das Schema, denn dann hat eben keine Partei Recht bekommen. Geht es dagegen in dem Verfahren um die Wirksamkeit des Kaufvertrages, so kann die eine Partei zur Auflassung und die andere Partei zur Kaufpreiszahlung verurteilt werden, also beide Parteien Recht erhalten.
Klage des Auftraggebers bei einem Werkvertrag auf Rückzahlung einer geleisteten Anzahlung und Widerklage des Werkunternehmers auf Zahlung des restlichen Werklohnes – wenn also gegenseitig Teilansprüche aus demselben Rechtsverhältnis eingeklagt werden. Dieser Fall entspricht nicht unbedingt dem oben aufgestellten Grundsatz, dass beide Parteien Recht bekommen können müssen, denn wenn das Gericht der Klage stattgibt, wird es den Widerkläger abweisen und umgekehrt. So sieht e...

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