Rz. 41

Es ist durchaus möglich, dass ein Kläger in einer Klage mehrere unterschiedliche Ansprüche nebeneinander geltend macht. Man nennt dies Anspruchshäufung oder auch objektive Klagenhäufung (§ 260 ZPO). In der Praxis geschieht dies recht häufig.

Es kann aber auch vorkommen, dass mehrere Personen als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden. In diesem Fall spricht man von Parteienhäufung bzw. subjektiver Klagenhäufung (§§ 59, 60 ZPO). Grundsätzlich führt jeder der Streitgenossen seinen eigenen Prozess unabhängig von den anderen Streitgenossen (§ 61 ZPO). Interessant ist die subjektive Klagenhäufung in Hinsicht auf die Wertberechnung aber nur dann, wenn die Streitgenossen voneinander unabhängige Ansprüche verfolgen oder abwehren. Dies ist aber praktisch nur recht selten der Fall.

 

Rz. 42

Durch § 5 Hs. 1 ZPO wird nun für den Zuständigkeitsstreitwert angeordnet, dass mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet werden. Dies gilt grundsätzlich auch für den Gebührenstreitwert und wird in § 39 Abs. 1 GKG und in § 22 Abs. 1 RVG ausdrücklich bestätigt. Es muss sich dabei um selbstständige Ansprüche auf unterschiedliche wirtschaftliche Leistungen handeln. Wenn dies zutrifft, wird ein Gesamtstreitwert durch Addition errechnet. Wenn die Ansprüche nicht selbstständig sind und nicht auf unterschiedliche wirtschaftliche Leistungen gerichtet sind, so darf keine Addition erfolgen, wie z. B. in folgenden Fällen:

Wenn die Ansprüche auf demselben Rechtsverhältnis beruhen, so ist keiner gegenüber dem anderen wirtschaftlich selbstständig.

 

Beispiel:

Ein Verkäufer klagt auf Zahlung des Kaufpreises und auf Abnahme der gekauften Sache. Bei beiden eingeklagten Forderungen geht es um das gleiche wirtschaftliche Ziel, die Erfüllung des Kaufvertrages. Eine Wertaddition darf nicht vorgenommen werden.

Wenn eine Leistungs- und eine Feststellungsklage zusammentreffen, wird ebenfalls das gleiche wirtschaftliche Ziel verfolgt.

 

Beispiel:

Ein Verkäufer klagt auf Feststellung, dass der Kaufvertrag nichtig sei und auf Rückübereignung der verkauften Sache, wobei der Kaufpreis 6.500,00 EUR betrug. Bei beiden eingeklagten Forderungen geht es um das gleiche wirtschaftliche Ziel, den Kaufvertrag aus der Welt zu schaffen. Der Zuständigkeits- und der Gebührenstreitwert bemessen sich beide auf 6.500,00 EUR.

Wenn zusammen mit einem Hauptanspruch ein Hilfsanspruch eingeklagt wird. Auch in diesem Fall darf § 5 Hs. 1 ZPO nicht angewandt werden. Deshalb ist für den Zuständigkeitsstreitwert der höhere Wert von Hauptanspruch oder Hilfsanspruch entscheidend. Dagegen ist für den Gebührenstreitwert zusätzlich § 45 Abs. 1 S. 2 GKG zu beachten, wonach der Wert des Hilfsanspruchs mit dem Wert des Hauptanspruchs zusammengerechnet wird, aber nur dann, wenn das Gericht über den Hilfsanspruch entschieden hat – und wenn beide Ansprüche nicht denselben Gegenstand betreffen (§ 45 Abs. 1 S. 3 GKG), denn in diesem letzten Fall ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.

 

Hinweis:

Kostenrechtlich liegen dann verschiedene Gegenstände vor, wenn die von den Parteien geltend gemachten gegensätzlichen Ansprüche einander nicht ausschließen, sodass es möglich ist, dass das Gericht der einen Partei den von ihr geforderten Anspruch zuerkennt und gleichzeitig der anderen Partei auch den von dieser begehrten Anspruch.

Dagegen haben von den Parteien geltend gemachte gegensätzliche Ansprüche dann denselben Gegenstand, wenn das Gericht nur entweder den Anspruch der einen Partei oder den Anspruch der anderen Partei anerkennen kann. Eine Bestätigung beider Ansprüche ist logischerweise ausgeschlossen, wenn es um denselben Gegenstand geht.

Auch wenn beide Ansprüche denselben Gegenstand betreffen, ist es jedoch nicht unmöglich, dass die verschiedenen Ansprüche einen unterschiedlich hohen Wert haben. Deshalb ist in solchen Fällen nach § 45 Abs. 1 S. 3 GKG der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.

 

Beispiel:

Ein Verkäufer klagt auf Zahlung des Kaufpreises von 6.000,00 EUR und hilfsweise für den Fall, dass diesem Antrag nicht stattgegeben wird, auf Rückübereignung der verkauften Sache, die einen Verkehrswert von 6.500,00 EUR hat. Bei beiden eingeklagten Forderungen geht es um das gleiche wirtschaftliche Ziel, die Erfüllung des Kaufvertrages (also um denselben Gegenstand), sodass der höhere Wert (6.500,00 EUR) für den Zuständigkeitsstreitwert entscheidend ist. Wenn das Gericht über den Hilfsantrag nicht entscheidet, bemisst sich der Gebührenstreitwert dagegen nach § 45 Abs. 1 S. 2, 3 GKG nur auf 6.000,00 EUR; wenn es jedoch über den Hilfsantrag entscheidet, beläuft sich der Streitwert nach § 45 Abs. 1 S. 2, 3 GKG auf 6.500,00 EUR.

 

Beispiel:

Ein Verkäufer klagt auf Zahlung des Kaufpreises von 6.000,00 EUR und hilfsweise für den Fall, dass diesem Antrag nicht stattgegeben wird, auf Ausübung seines vereinbarten Wiederkaufsrechts (Wiederkaufpreis 6.500,00 EUR). Das Gericht weist den Hauptantrag ab und gibt dem Hilfsantrag statt. Der Gebührenstreitwert ergibt sich...

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