Rz. 28

Zur Lösung einer Aufgabe aus dem Kostenrecht ist es in der überwiegenden Zahl der Fälle notwendig, zur Berechnung der Wertgebühren mit der Ermittlung des Wertes zu beginnen, sei es der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren, der Streitwert für die Gerichtsgebühren oder der Geschäftswert für die Notargebühren. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass dies nicht für die Berechnung der Gebühren in Strafsachen gilt.

Sie haben Glück, wenn es sich um eine bezifferte Klage handelt, denn dann geht man normalerweise von dem in der Klage genannten Betrag als dem Streitwert aus. Eine bezifferte Klage liegt z. B. dann vor, wenn es sich um eine Kaufpreisforderung oder eine Darlehensrückforderung handelt, denn in diesen Fällen steht mit dem eingeforderten Geldbetrag der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit und damit der Gegenstandswert eindeutig fest. In anderen Fällen werden Sie schon etwas überlegen und rechnen müssen.

 

Rz. 29

Zur Ermittlung des Gegenstandswertes für die Anwaltsgebühren sollten Sie Überlegungen in folgender Reihenfolge schrittweise nacheinander anstellen, wie dies im nachstehenden Prüfungsschema aufgezeigt ist.

Übersicht: Prüfungsschema zur Ermittlung des Gegenstandswertes

Erläuterungen zu vorstehendem Prüfungsschema:

 
Zu (1): Gerichtliche Verfahren in diesem Sinne sind der Zivilprozess und Verfahren in Familiensachen sowie Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Arbeits-, Sozial- oder der Finanzgerichtsbarkeit.
Zu (2): Vorbereitung eines gerichtlichen Verfahrens im weitesten Sinne, ohne dass dieses Verfahren bereits eingeleitet sein muss. Auch die bloße außergerichtliche Erledigung von Rechtsangelegenheiten gehört hierzu, wenn die Angelegenheit Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte.
Zu (3): Für bestimmte Verfahren, wie z. B. die Zwangsvollstreckung, kennt das RVG spezielle Wertvorschriften (siehe z. B. § 25 RVG).
Zu (4): Andere Angelegenheiten sind häufig anwaltliche Tätigkeiten, die ein Rechtsverhältnis begründen sollen, wie z. B. Vertragsentwürfe oder die Teilnahme an Verkaufsverhandlungen. Es dürfen nur die in § 23 Abs. 3 S. 1 RVG genannten Paragrafen des GNotKG herangezogen werden, alle anderen nicht.
Zu (5): Eine Schätzung kommt nur hilfsweise dann in Frage, wenn sich der Wert nicht nach den Punkten (1) bis (4) ergibt.
Zu (6): Mit § 23 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 RVG gibt es eine Hilfsvorschrift für den Fall, dass noch nicht einmal genügende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung vorliegen. Der Regelwert beträgt dann 5.000 Euro, jedoch kann er im Einzelfall auch niedriger oder höher geschätzt werden, darf aber 500.000 Euro nicht übersteigen.
 

Beispiel 1:

RA Rotspon leitet Mitte Mai ein Verfahren vor dem Familiengericht ein für ein Kind, dessen Vater Unterhalt in Höhe von monatlich 480,00 EUR leisten soll, zahlbar jeweils zum Monatsersten im Voraus. Seit Januar ist der Unterhalt rückständig. Es soll der Gegenstandswert ermittelt werden. Wir gehen nach dem vorstehenden Schema vor.

(1)

Es liegt ein familiengerichtliches Verfahren vor. Gemäß § 23 Abs. 1 RVG suchen wir zuerst im FamGKG nach einer entsprechenden Bestimmung. Eine diesbezügliche Wertvorschrift ist in § 51 FamGKG zu finden. Nach § 51 Abs. 1 FamGKG ist für den Gegenstandswert der Jahresbetrag des Unterhalts maßgebend, wenn er nicht für weniger als ein Jahr gefordert wird.

Der Jahresbetrag ist dann 12 x 480,00 EUR = 5.760,00 EUR.

Vorsicht! In der Aufgabe steht etwas über rückständigen Unterhalt. Dazu finden wir eine Aussage in § 51 Abs. 2 S. 1 FamGKG, wonach die vor Klageeinreichung fälligen rückständigen Unterhaltsbeträge hinzugerechnet werden. Da der Unterhalt jeweils zum Monatsersten im Voraus zu zahlen ist (§ 1612 Abs. 3 BGB), besteht ein Rückstand von Januar bis Mai, also für fünf Monate, was 5 x 480,00 EUR = 2.400,00 EUR ergibt.

Der Gegenstandswert beträgt also 5.760,00 EUR + 2.400,00 EUR = 8.160,00 EUR.

 

Beispiel 2:

Wie 1. Beispiel. RA Rotspon soll den Vater aber nur in einem außergerichtlichen Schreiben zur Zahlung auffordern, da die Mutter als Auftraggeberin sich gerne ohne ein gerichtliches Verfahren gütlich mit dem Vater einigen möchte. Es soll der Gegenstandswert ermittelt werden. Wir gehen nach dem vorstehenden Schema vor.

(1) Es liegt kein gerichtliches Verfahren vor.
(2)

Es liegt ein Versuch der gütlichen Einigung vor, der den Zweck hat, ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden. RA Rotspon soll also versuchen, ein gerichtliches Verfahren zu verhindern.

Diese Tätigkeit fällt mit unter § 23 Abs. 1 S. 3 RVG.

Der Gegenstandswert beträgt 8.160,00 EUR. Berechnung wie im Beispiel 1.

 

Beispiel 3:

RAin Müller-Thurgau hat den Auftrag, den Kaufvertrag für ein Motorboot zu entwerfen. Der Kaufpreis soll 80.000,00 EUR betragen. Es soll der Gegenstandswert ermittelt werden. Wir gehen nach vorstehendem Schema vor.

(1) Es liegt kein gerichtliches Verfahren vor.
(2) Es soll auch kein gerichtliches Verfahren vorbereitet oder verhindert werden.
(3)

Es liegt eine "andere Angelegenheit" vor (§ 23 Abs. 3 RVG). Typisches Beispiel dafür: Fertigun...

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