Rz. 541

Die Teilungsanordnung entfaltet ihre Wirkung erst bei der Nachlassteilung. Das Vermächtnis hingegen ist Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 Abs. 2 BGB) und ist deshalb vor der Teilung zu erfüllen (§ 2046 BGB). Im Einzelfall kann es schwierig sein, festzustellen, ob die Anordnung des Erblassers den Charakter einer Teilungsanordnung oder eines Vorausvermächtnisses nach § 2150 BGB hat. Hat der Erblasser keine insoweit eindeutige Erklärung abgegeben, so ist der Wille durch Auslegung zu ermitteln.

Während die Teilungsanordnung den Erbteil quasi konkretisiert, wird das Vorausvermächtnis zusätzlich zum Erbteil gewährt. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH handelt es sich um eine Teilungsanordnung, wenn die Höhe des Erbteils durch die Besonderheit der Auseinandersetzung nicht verändert werden soll. Ein etwaiger höherer Wert des zugeteilten Nachlassgegenstandes als dem Auseinandersetzungsguthaben entspräche, ist unter den Erben auszugleichen.

Eine Teilungsanordnung erfordert zudem stets eine Erbeinsetzung. Erfolgt die Zuwendung eines Vermögensgegenstands unabhängig von einer Erbeinsetzung oder nimmt der Erblasser die gesetzliche Erbfolge durch Unterlassen einer Regelung lediglich hin, liegt keine Teilungsanordnung, sondern ein Vorausvermächtnis vor.[523]

 

Rz. 542

Soll dagegen dem betreffenden Miterben ein nicht ausgleichungspflichtiger Mehrwert in Form eines besonderen Vermögensvorteils zufließen, so liegt ein Vorausvermächtnis vor.[524] Der BGH stellt darauf ab, ob der Erblasser dem Begünstigten einen Vermögensvorteil verschaffen wollte, ob er ihn also gegenüber den anderen Miterben begünstigen wollte – Stichwort: Begünstigungswille.[525] Oder anders ausgedrückt:

Zitat

Eine vom Erblasser in letztwilliger Verfügung getroffene Anordnung für die Auseinandersetzung unter den Miterben stellt dann eine Teilungsanordnung dar, wenn er die zuvor festgelegten Erbquoten durch seine Verfügung nicht verschieben, sondern unangetastet lassen wollte.

Eine Teilungsanordnung – mit der Folge, dass der die Erbquote übersteigende Wert ausgeglichen werden muss – liegt auch dann vor, wenn dem Bedachten objektiv ein zusätzlicher Vermögensvorteil zugewendet worden ist, ohne dass der Erblasser ihn gegenüber den Miterben bevorzugen wollte. Ob eine solche Bevorzugung nicht gewollt war, ist im Wege der Auslegung der letztwilligen Verfügung zu ermitteln.[526]

 

Rz. 543

Die wesentliche Unterscheidung nach Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis anhand eines Vermögensvorteils und eines Begünstigungswillens ist aber nicht das einzige Abgrenzungskriterium. Im Urt. v. 7.12.1994[527] hat der BGH klargestellt, dass der Erblasser grundsätzlich auch einen von der Erbeinsetzung unabhängigen Grund haben kann, einem Miterben einen bestimmten Gegenstand zuzuwenden. Dies kann bspw. dann der Fall sein, wenn der Erbe seinen Erbteil ausschlägt, er nach dem Willen des Erblassers den Gegenstand aber dennoch erhalten soll. Die wertmäßige Begünstigung ist demnach nur ein wichtiges Indiz, nicht aber zwingende Voraussetzung für die Auslegung als Vorausvermächtnis.[528]

 

Rz. 544

Der Miterbe kann nach Annahme der Erbschaft die Übernahme des ihm durch Teilungsanordnung zugedachten Gegenstandes grundsätzlich nicht verweigern. Demgegenüber kann ein Vorausvermächtnis ohne weiteres ausgeschlagen werden. Bei Ausschlagung der Erbschaft wird die mit einem Erbteil verbundene Teilungsanordnung eo ipso gegenstandslos, nicht dagegen ein Vorausvermächtnis, das grundsätzlich – soweit der Erblasser nichts anderes angeordnet hat – unabhängig vom Erbteil weiter besteht.

Ist eine Teilungsanordnung im gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag enthalten, so ist sie jederzeit widerruflich, weil sie nicht bindend angeordnet werden kann. Anders dagegen das Vorausvermächtnis: Es kann mit Bindungswirkung angeordnet werden. Im Falle erbvertraglicher Anordnung genießt der durch Vorausvermächtnis Bedachte schon vor dem Erbfall den Schutz des § 2288 BGB gegen eine beeinträchtigende Verfügung unter Lebenden.

 

Rz. 545

Legt der Erblasser für einen Nachlassgegenstand (häufig Grundstück) einen Übernahmepreis (in der Auseinandersetzung anzurechnender Betrag) fest, so ist zu differenzieren:

Ist der objektive Wert höher als der Übernahmepreis, so liegt in Höhe der Differenz ein Vorausvermächtnis für den begünstigten Miterben vor.
Ist der objektive Wert niedriger als der Übernahmepreis, so ist ein Vorausvermächtnis zugunsten der anderen, nicht übernahmeberechtigten Miterben angeordnet.
[523] OLG Saarbrücken, Urt. v. 25.6.2014 – 5 U 3/14, ZErb 2015, 153 ff.; Ruby, ZEV 2015, 405 ff.
[524] BGH NJW 1985, 51, 52; BGH FamRZ 1987, 475, 476; BGH NJW-RR 1990, 1220; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 5.10.2007 – 3 U 272/06, NJW-RR 2008, 532 = ZErb 2008, 166 = ZEV 2008, 328.
[525] BGH NJW-RR 1990, 1220.
[526] OLG Braunschweig ZEV 1996, 69.
[527] ZEV 1995, 144.
[528] Skibbe, ZEV 1995, 145.

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