Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung eines gemeinsamen Testaments; Abgrenzung von Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung. Auslegung eines gemeinsamen Testaments. Abgrenzung von Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung. testamentarische Wertbestimmung eines Nachlassgegenstands

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine von einer im Testament grundsätzlich vorgesehenen Quotierung abweichende Zuweisung von bestimmten Nachlassgegenständen ist als Vorausvermächtnis anzusehen, soweit sie - vom Erblasser gewollt - über den Inhalt einer Teilungserklärung hinausgeht. Lediglich bei einer "reinen" Teilungsanordnung besteht eine anderweitige Ausgleichpflicht.

2. Überdies sind Erblasser auch befugt, in einem Testament für die Erbauseinandersetzung bindend den Wert eines zum Ausgleich herangezogenen Gegenstands festzulegen.

 

Normenkette

BGB § 2050

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.10.2006; Aktenzeichen 2-10 O 49/05)

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt den Beklagten als Miterben auf Ausgleich des hälftigen Wertes (153.387,56 EUR) für das diesem durch gemeinsames Testament der Eltern vom 5.6.1970 zugewendete Hausgrundstück in Anspruch.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird zunächst Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), ebenso auf die den Parteien bekannten Urteile des LG vom 16.1.2002 (2/12 O 364/00) sowie des OLG Frankfurt vom 22.5.2003 (16 U 25/02) in dem vorausgegangenen Rechtsstreit der Parteien.

Ergänzend wird zunächst der Wortlaut des handschriftlichen Testaments der Eltern der Parteien vom 16.1.1969 (Blatt 158 d.A.) festgehalten:

"Wir, die Eheleute E1 und E2, geborene A, setzen uns gegenseitig zu Erben ein. Erben des Überlebenden sollen unsere beiden Söhne, bzw. deren leiblichen Abkommen zu gleichen Teilen sein. Der Überlebende von uns soll in der Verfügung frei sein."

Das weitere, dem vorausgegangenen Rechtsstreit zugrunde liegende und rechtskräftig als echt festgestellte Testament der Eltern der Parteien vom 5.6.1970 (Bl. 5 der Beiakte 2/12 O 364/00) lautet wie folgt:

"Wir, die unterzeichneten Eheleute E1 und Frau E2, geborene A setzen uns gegenseitig zu Erben ein. Nach dem Tode des letztversterbenden Ehegatten sollen unsere beiden Söhne B und C erben. C erhält das zur Zeit von uns bewohnte und im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus erstellte Haus S1, O1 samt Hausrat und übernimmt bei Eintritt des Erbfalls die eventuell noch auf dem Haus ruhenden hypothekarischen Schulden. Dabei ist die unentgeltliche, jahrelange Mithilfe unseres Sohnes C und dessen Ehefrau in besonderen, dringenden und notwendigen Fällen berücksichtigt (Hausmeister- und Hausverwaltungsarbeiten, Wegereinigung, besonders die Beseitigung von Schnee und Eis im Winter, Mithilfe im Haushalt in Krankheits- und Pflegefällen).

Demgegenüber ist Sohn B durch unsere finanzielle Hilfe beim Erwerb eines Einfamilienhauses etwa gleichwertig berücksichtigt worden. Das ihm zinslos überlassene Darlehen soll mit Eintritt des Erbfalls als Erbe gelten.

Alle darüber hinaus dann noch vorhandenen Vermögenswerte sollen nach Regelung aller Nachlassverbindlichkeiten (Bestattungskosten etc.) an beide Erben zu gleichen Teilen verteilt werden. Sollte einer von ihnen unseren gemeinsamen Willen nicht anerkennen so ist er auf den Pflichtteil zu beschränken."

Diese letztwilligen Verfügungen sind zeitlich wie folgt einzuordnen:

16.1.1969 gemeinsames Testament der Eltern mit wechselseitiger Erbeinsetzung als befreite Vorerben und Einsetzung der Parteien als Nacherben zu je ½

14.3.1969 Kauf des Anwesens S2 in O1 durch den Kläger unter Verwendung eines zinslosen Darlehens der Eltern

25.6.1969 Zeitpunkt, bis zu dem die fünf Darlehensquittungen entstanden, deren Echtheit streitig ist

20.6.1969 Besitzübergabe und Bezahlung des Anwesens S2

5.6.1970 Aufhebung des Testaments vom 16.1.69 durch Errichtung des gemeinsamen Testaments vom 5.6.70

29.10.1971 Tod des Vaters im 76. Lebensjahr

10.11.1971 Eröffnung des Testaments vom 16.1.1969

16.5.1993 Tod der Mutter im 97. Lebensjahr.

8.6.1993 Eröffnung des Testaments vom 5.6.1970 und vom 16.1.69.

Unter Berufung auf das Testament vom 5.6.1970 hat der Beklagte den Kläger in dem vorausgegangenen Rechtsstreit auf Abgabe der Auflassungserklärung des ihm zugewendeten Hausgrundstücks in Anspruch genommen. Der Kläger hat die Fälschung des Testaments eingewandt. Das LG Frankfurt hat der Klage stattgegeben (2-12 O 364/00), die Berufung dagegen (Urteil vom 22.5.2003 zu 16 U 25/02) und Nichtzulassungsbeschwerde (Beschluss vom 19.5.2004 zu IV ZR 157/03) blieben erfolglos.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, ihm stehe ein Wertausgleich in Höhe des hälftigen Wertes des Hausgrundstücks (600.000 DM) zu, weil entgegen der Angabe im Testament der Eltern ihm ein zinsloses Darlehen nicht gewährt worden sei.

Der Beklagte hat verschiedene von dem Kläger unterschriebene Quittungen über von den Eltern erhaltende Zahlungen im Höhe von insgesamt 130.000 DM vorgelegt, gegen die der Kläger (erneut) den Einwand der Fälschung erhoben hat.

Das LG hat durch Einho...

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