Rz. 81

Zur Vorbereitung des Auslandseinsatzes gehört, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegenseitig über die Bedingungen und persönlichen Bedürfnisse informieren. Diese gegenseitige Informationspflicht kennzeichnet die arbeitgeberseitigen Fürsorgepflichten ebenso wie die arbeitnehmerseitigen Treuepflichten.

1. Fürsorgepflichten des Arbeitgebers

 

Rz. 82

Inhalt und Umfang der Fürsorgepflichten als Nebenpflichten des Arbeitgebers richten sich nach § 242 BGB, d.h. nach Treu und Glauben. Die Anerkennung von Fürsorgepflichten und die Bestimmung ihres Inhalts und Umfangs im Einzelfall bereiten schon bei reinen Inlandssachverhalten Probleme und sind durch eine umfangreiche Kasuistik der Gerichte gekennzeichnet. Eine Konkretisierung kann nur durch eine umfassende Abwägung der Interessen des Arbeitgebers und Arbeitnehmers erreicht werden. Auszugrenzen aus den Fürsorgepflichten sind neben den Hauptleistungspflichten (z.B. Lohnzahlungspflicht oder Entgeltfortzahlung) auch jene Nebenpflichten, die eng mit den Hauptleistungspflichten verbunden sind, wie z.B. die aus der Lohnzahlungspflicht resultierende Abrechnungspflicht.

Durch den Auslandsaufenthalt ändern sich die Arbeitsbedingungen für den Arbeitnehmer erheblich, sodass es als eine Pflicht des Arbeitgebers anzusehen ist, diesen umfassend hierüber aufzuklären und zu informieren. Die Fürsorgepflicht ist dahin gehend begrenzt, dass nur auf die Arbeitnehmerinteressen Rücksicht zu nehmen ist, die für das Arbeitsverhältnis und den Auslandseinsatz relevant sind.[3] Grds. kann man festhalten, dass die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers umso größer sein dürften, je länger und intensiver sich der Auslandsaufenthalt gestaltet. Genauso abhängig ist der Umfang der Fürsorgepflichten vom Ort des Auslandseinsatzes. Dieselbe Aufgabe kann bei einem Einsatz in Afghanistan deutlich andere Pflichten hervorrufen, als bspw. innerhalb der EU.

 

Rz. 83

Die Fürsorgepflicht geht hingegen nicht soweit, dass der Arbeitgeber durch die Auslandstätigkeit zum Sachverwalter für sämtliche wirtschaftliche Interessen des Arbeitnehmers wird. Er muss den Arbeitnehmer aber über seine Aufgabe, die Arbeitsmodalitäten und die an ihn gestellten Anforderungen genauestens informieren. Er muss ihm daher die für ihn geltenden Arbeits- und Urlaubszeiten ebenso mitteilen, wie die finanziellen Aspekte hinsichtlich Gehalt und Übernahme der sonstigen durch die Auslandstätigkeit entstehenden Kosten. Er hat den Arbeitnehmer über seine Tätigkeit und die konkreten Aufgaben im Ausland, aber auch über die damit verbundenen Risiken und Entwicklungsmöglichkeiten aufzuklären.[4] Auch die Unterrichtung über steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Fragestellungen des Auslandseinsatzes gehört zu den Aufklärungspflichten des Arbeitgebers. Hierbei ist es oft ratsam, fachmännischen Rat einzuholen, da der Arbeitgeber für die Richtigkeit erteilter Hinweise auch haftet.

 

Rz. 84

Der Arbeitnehmer ist auch über wesentliche Unterschiede der Rechtsordnungen sowie der politischen und religiösen Umstände zwischen dem In- und Ausland aufzuklären. Zu denken ist hierbei z.B. an Alkoholverbote in der Öffentlichkeit oder an das Verhalten ggü. den Einwohnern des Gastlandes. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, sich die notwendigen Informationen hierüber zu verschaffen und diese dem Arbeitnehmer zugänglich zu machen. Vielfach übergeben die Arbeitgeber diese Verpflichtung an Unternehmen, die den Mitarbeiter über die landesspezifischen und kulturellen Zusammenhänge aufklären. Kommt es aufgrund eines Fehlverhaltens des Arbeitnehmers im Ausland zu Maßnahmen dieses Staates (z.B. Freiheitsstrafen), kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, Aufwendungen des Arbeitnehmers zu erstatten, sofern es sich aus der Sicht der deutschen Rechtsordnung um Maßnahmen gehandelt hat, die für den Arbeitnehmer unzumutbar waren und er deshalb andere Vermögensschäden erleidet.[5]

Der Arbeitgeber ist darüber hinaus verpflichtet, den Mitarbeiter über mögliche Gefährdungen, sowohl arbeitsbedingte, z.B. veränderte Arbeitsschutzbestimmungen im Ausland, als auch Gefährdungen aufgrund der politischen Lage im Einsatzland (z.B. Unruhen, Aufstände, Bürgerkrieg etc.), zu informieren.[6]

Soweit ein Arbeitseinsatz in Ländern mit schwierigen klimatischen Bedingungen geplant ist, trifft den Arbeitgeber auch die Pflicht, dem Arbeitnehmer eine medizinische Vorsorge, d.h. eine körperliche und psychische Eignungsprüfung, anzutragen. Hierbei wird man es als ausreichend ansehen müssen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf die gesundheitlichen Gefahren hinweist und ihm die entspr. ärztliche Untersuchung nahelegt.[7]

 

Rz. 85

Der Arbeitgeber ist allerdings nicht verpflichtet, für den Arbeitnehmer zusätzliche, über den gesetzlichen Rahmen hinausgehende Versicherungen abzuschließen. Die Sachlage ist anders zu beurteilen, wenn ein unzureichender gesetzlicher Versicherungsschutz im Gastland besteht. Die Verpflichtung, einen zusätzlichen Versicherungsschutz aufzubauen, kann ebenfalls bestehen, wenn die Auslandstätigkeit mit besonderen, er...

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