Rz. 50

Wer Minderjährigen oder sonstigen Personen gegenüber aufsichtspflichtig ist, hat in besonderem Maße dafür zu sorgen, dass die zu beaufsichtigenden Personen keine Schäden an geschützten Rechtsgütern Dritter verursachen. In der Praxis der Verkehrsunfallbearbeitung kommt es nicht selten zu Schäden, die durch minderjährige Radfahrer oder Passanten verursacht werden. Jeder dieser Schäden trägt per se die Vermutung einer Aufsichtspflichtverletzung in sich. Der Umfang der Aufsichtspflicht richtet sich nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes, nach der Voraussehbarkeit des schädigenden Verhaltens sowie danach, was den Eltern im konkreten Fall zugemutet werden kann.[35]

Die Haftung des Aufsichtspflichtigen ist in § 832 BGB geregelt und setzt voraus, dass ein Minderjähriger in rechtswidriger Weise einen Schaden verursacht und eine Aufsichtspflicht des Inanspruchgenommenen (sei es aus Vertrag oder Gesetz) besteht. Die Haftung entfällt nach § 832 S. 2 BGB, wenn der Aufsichtspflichtige sich dadurch von seinem vermuteten Verschulden exkulpieren kann, dass er seiner Aufsichtspflicht genüge getan hat bzw. der Schaden auch bei gehöriger Sorgfalt eingetreten wäre. Zu beachten ist, dass der nach der Gesetzesänderung erfolgte Haftungsausschluss des nicht zehn Jahre alten Kindes nach § 828 Abs. 2 BGB nicht zu einer Erweiterung und Verschärfung der Aufsichtspflicht der Eltern führt.[36] Diese Grundsätze verdeutlicht folgender Fall:

 

Rz. 51

Muster 3.12: Schadenersatz von Minderjährigen und ihren Eltern

 

Muster 3.12: Schadenersatz von Minderjährigen und ihren Eltern

Herrn/Frau

_________________________

Schaden vom _________________________

Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________

Sehr geehrte Frau _________________________/sehr geehrter Herr _________________________,

ich vertrete die Interessen des Herrn _________________________ aus _________________________. Eine Kopie der auf mich lautenden Vollmacht füge ich in der Anlage bei.

Namens und in Vollmacht meines Mandanten mache ich gegen Ihr minderjähriges Kind _________________________ wegen einer von ihm verursachten Sachbeschädigungen und gegen Sie wegen der Verletzung der Ihnen obliegenden Aufsichtspflicht Ansprüche auf Schadensersatz aus Anlass des Schadensereignisses vom _________________________ geltend. Am Vorfallstage hatte mein Mandant seinen Pkw ordnungsgemäß in der _________________________-Straße abgestellt. Sodann _________________________. Dadurch entstand an dem Fahrzeug erheblicher Sachschaden. Ausweislich des in der Anlage beigefügten _________________________ belaufen sich die voraussichtlichen Reparaturkosten zur Beseitigung des Schadens auf _________________________ EUR.

Der Schaden an dem Fahrzeug wurde von Ihrem Kind _________________________ verursacht und verschuldet. Dieses haftet meinem Mandanten auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Der Eintrittspflicht steht nicht entgegen, dass das Kind zum Tatzeitpunkt erst _________________________ Jahre alt und damit minderjährig war. In jedem Fall besaß es zum Tatzeitpunkt die zur Erkenntnis seiner Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht.

Zugleich sind Sie als aufsichtspflichtige Person meinem Mandanten nach § 832 BGB aufgrund der verursachten Schäden ersatzpflichtig. Gem. § 832 Abs. 1 BGB besteht die Vermutung, dass der Eintritt des Schadens auf einer schuldhaften Verletzung der Ihnen obliegenden Aufsichtspflicht basiert. Gleichermaßen wird vermutet, dass zwischen der Verletzung der Aufsichtspflicht und dem Eintritt des Schadens ursächlicher Zusammenhang besteht. Es ist deshalb Ihre Aufgabe den Nachweis zu führen, dass der Schaden auch bei Beobachtung der gehörigen Sorgfalt eingetreten wäre. Dieser Nachweis ist nicht erbracht.

Sollten Sie über Versicherungsschutz in einer privaten Haftpflichtversicherung verfügen, bin ich gern bereit, die weitere Korrespondenz in der Schadensache unmittelbar mit Ihrem Haftpflichtversicherer zu führen. In diesem Fall bitte ich höflich um zeitnahe Benennung des betreffenden Versicherungsunternehmens sowie der Versicherungsscheinnummer. Hierfür habe ich mir eine Frist bis zum

_________________________ (10-Tages-Frist)

notiert. Sollte ich von Ihnen innerhalb der vorgenannten Frist keine Rückantwort erhalten, gehe ich davon aus, dass die Ansprüche unmittelbar gegen Sie geltend gemacht und erforderlichenfalls zwangsweise durchgesetzt werden sollen.

Mit freundlichen Grüßen

(Rechtsanwalt)

[35] BGH NJW 2013,1441; BGH NJW 1993, 1003.

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