Rz. 30
Fristlose Kündigungen fallen gemäß § 17 Abs. 4 S. 2 KSchG nicht unter den Entlassungsbegriff. Die Regelung knüpft an § 17 Abs. 4 S. 1 KSchG an, nach der das Recht zur fristlosen Kündigungen auch im Massenentlassungskontext unberührt bleiben soll, und erfasst außerordentliche Kündigungen aus wichtigem Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB. Sofern der Arbeitgeber Grund für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung hat, soll es unerheblich sein, ob er diese fristlos erklärt oder mit einer sozialen Auslauffrist verbindet.
Rz. 31
Diese Ausnahmeregelung lässt sich mit den Vorgaben der Richtlinie nicht uneingeschränkt in Einklang bringen, die eine Unterscheidung zwischen fristloser und fristgebundener Kündigung nicht kennt, sondern allein danach differenziert, ob die Entlassung aus Gründen erfolgt, die nicht in der Person des Arbeitnehmers liegen. Die Ausnahmeregelung ist deshalb mit der Richtlinie insoweit unvereinbar, als außerordentliche betriebsbedingte Kündigungen, die insbesondere bei besonders kündigungsgeschützten Arbeitnehmern ausnahmsweise in Betracht kommen können, aus dem Anwendungsbereich des § 17 KSchG herausgenommen werden sollen. § 17 Abs. 4 KSchG ist deshalb richtlinienkonform dahingehend einzuschränken, dass er betriebsbedingte Kündigungen nicht erfasst. Zwar hat der Gesetzgeber im Zuge der Anpassung des deutschen Rechts an die europäische Richtlinie eine entsprechende Änderung des § 17 Abs. 4 KSchG unterlassen. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass darin eine bewusste, die richtlinienkonforme Einschränkung ausschließende Abweichung von den europäischen Vorgaben lag, da der Gesetzgeber seiner Umsetzungsverpflichtung im Gegenteil ausdrücklich nachkommen und das deutsche Recht dem Unionsrecht anpassen wollte. Soweit demgegenüber § 17 Abs. 4 S. 2 KSchG außerordentliche personen- oder verhaltensbedingte Kündigungen nicht als Entlassungen zählt, ist dies mit der Richtlinie vereinbar. Dennoch kann dem bewussten Ausspruch einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung zur Umgehung des § 17 Abs. 1 KSchG im Einzelfall der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden.
Rz. 32
Hinweis
Wird eine außerordentliche Kündigung nachträglich in eine ordentliche Kündigung umgedeutet oder ein entsprechender Abwicklungsvertrag geschlossen, kommt § 17 Abs. 4 KSchG nicht zur Anwendung. Eine solche Vereinbarung kann deshalb nachträglich massenentlassungsrelevant werden.
Rz. 33
Fristlose Kündigungen i.S.v. § 17 Abs. 4 KSchG sind nicht entfristete ordentliche Kündigungen, etwa innerhalb einer tariflichen oder gesetzlichen Probezeit.