Rz. 263

Der Arbeitsvertragsschluss und der vorgesehene Arbeitsbeginn fallen regelmäßig zeitlich auseinander. Im Zeitraum zwischen der Vereinbarung des Arbeitsverhältnisses und dem tatsächlichen Arbeitsbeginn können Umstände eintreten, die den Arbeitnehmer oder den Arbeitgeber veranlassen, das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beenden zu wollen. In einem solchen Fall ist eine ordentliche Kündigung vor Dienstantritt generell zulässig, es sei denn, sie ist ausdrücklich oder konkludent zwischen den Arbeitsvertragsparteien ausgeschlossen worden (BAG v. 2.11.1978 – 2 AZR 74/77, JZ 1979, 537 = MDR 1979, 701).

 

Rz. 264

In der Vergangenheit war umstritten, wann die Kündigungsfrist zu laufen beginnt, falls das Arbeitsverhältnis noch gar nicht begonnen hat. Mittlerweile hat das BAG jedoch entschieden, dass auch bei einer Kündigung vor Dienstantritt als Kündigungsfrist der Zeitraum vom Zugang der Kündigung bis zum Kündigungstermin anzusehen ist und infolgedessen der Beginn der Kündigungsfrist auch in solchen Fällen grds. mit dem Zugang der Kündigungserklärung zusammenfällt (BAG v. 25.3.2004 – 2 AZR 324/03, NZA 2004, 1089; BAG v. 9.2.2006, NZA 2006, 1207). Allerdings sind abweichende Vereinbarungen zwischen den Parteien möglich. So können die Arbeitsvertragsparteien vereinbaren, dass die Kündigungsfrist erst am geplanten Tag der Arbeitsaufnahme beginnt. Auch dies kann ausdrücklich oder konkludent erklärt erfolgen, wobei das Ergebnis einer Vertragsauslegung jedoch zweifelsfrei sein muss. Anderenfalls beginnt die Kündigungsfrist mit dem Zugang der Kündigung zu laufen (BAG v. 9.2.2006 – 6 AZR 283/05, NZA 2006, 1207).

 

Rz. 265

Es sind infolgedessen drei Fallgestaltungen denkbar:

Die Kündigung vor Dienstantritt ist vertraglich ausdrücklich oder stillschweigend ausgeschlossen. In diesem Fall ist eine dennoch vor Dienstantritt ausgesprochene Kündigung unwirksam.

Die Kündigung vor Dienstantritt ist nicht ausgeschlossen: Grds. beginnt der Lauf der Kündigungsfrist mit dem Zugang des Kündigungsschreibens.

Die Kündigung vor Dienstantritt ist nicht ausgeschlossen. Die Arbeitsvertragsparteien haben aber ausdrücklich oder konkludent vereinbart, dass der Lauf der Kündigungsfrist einer vor Dienstantritt ausgesprochenen Kündigung erst ab dem Zeitpunkt des vorgesehenen Dienstantritts beginnt: Die Kündigungsfrist beginnt erst ab dem Zeitpunkt des vorgesehenen Dienstantrittes, auch wenn die Kündigung bereits vor Dienstantritt zugegangen sein sollte.

 

Rz. 266

Für den konkludenten Ausschluss einer Kündigung vor Dienstantritt ist es nicht ausreichend, dass der Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz aufgegeben oder den neuen Arbeitsvertrag wegen höherer Verdienstmöglichkeiten abgeschlossen hat. Es genügt jedoch, wenn der Arbeitgeber eine Lebens- oder Dauerstellung zugesagt hat (BAG v. 9.2.2006 – 6 AZR 283/05, NZA 2006, 1207) oder wenn die Parteien eine Vertragsstrafe für den Fall der Nichtaufnahme der Arbeit vereinbart haben (LAG Hessen v. 18.6.1980 – 10 Sa 1030/79, DB 1981, 532; BAG v. 25.3.2004, DB 2004, 260). Ferner soll es ausreichen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aus einer "sicheren" Arbeitsstelle abgeworben hat (Schaub/Linck, ArbRHB, § 123 Rn 70). Fraglich dürfte allerdings sein, was unter einer sicheren Arbeitsstelle zu verstehen ist.

 

Rz. 267

Haben die Parteien eine ordentliche Kündigung vor Dienstbeginn weder ausdrücklich noch konkludent ausgeschlossen, ergeben sich folgende Rechtsfolgen einer Kündigung vor Dienstantritt:

 

Rz. 268

Endet die Kündigungsfrist vor Dienstbeginn, wird das Arbeitsverhältnis nicht in Vollzug gesetzt.

 

Rz. 269

Läuft die Kündigungsfrist erst nach dem Beginn der vereinbarten Arbeitsaufnahme ab, ist das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist durchzuführen. Infolgedessen muss der Arbeitnehmer vom Dienstbeginn bis zum Ende der Kündigungsfrist seine Arbeitsleistung erbringen. Weigert er sich, wird er vertragsbrüchig und kann Schadensersatzansprüchen ausgesetzt sein. Das Gleiche gilt für den Fall, in dem eine Kündigung vor Dienstantritt vertraglich ausgeschlossen ist, der Arbeitnehmer aber dennoch kündigt und die Arbeitsaufnahme verweigert.

 

Rz. 270

Umgekehrt ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer zu beschäftigen und zu bezahlen, wenn die Kündigungsfrist bei zulässiger Kündigung vor Dienstantritt erst nach Dienstantritt endet. Wenn er das Arbeitsangebot des Arbeitnehmers für die Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht annimmt, hat er die Vergütung aus Annahmeverzug zu zahlen. Das Gleiche gilt für den Fall, wenn der Arbeitgeber vor Dienstantritt nicht wirksam kündigen kann.

 

Rz. 271

 

Hinweis

Aus Arbeitgebersicht empfiehlt sich eine Vertragsstrafe für den Fall zu vereinbaren, dass der Arbeitnehmer vertragswidrig seine Arbeit nicht aufnimmt.

 

Rz. 272

Vereinbaren die Parteien den Fristbeginn zu dem Zeitpunkt, zu dem die Aktualisierung des Arbeitsverhältnisses vorgesehen war, ist auf den vertraglich vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses und nicht auf die tatsächliche Arbeitsaufnahme abzustellen (BAG v. 2.1...

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