Rz. 60

In der Kündigungsschutzklage ist nicht die antizipierte Zustimmung des Arbeitnehmers zur Rücknahme der Kündigungserklärung durch den Arbeitgeber zu sehen (BAG v. 19.8.1992, AP, Nr. 9 zu § 9 KSchG 1969). Lehnt der Arbeitnehmer das Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Prozess ab, entfällt auch nicht sofort das allgemeine Rechtsschutzinteresse für die Kündigungsschutzklage. Dem Arbeitnehmer bleiben in diesem Fall die Rechte gem. §§ 9, 12 KSchG (Auflösungsantrag, Verweigerung der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei bestehendem neuen Arbeitsverhältnis, welche geeignet sind, ein rechtliches Interesse an der Fortsetzung des Prozesses zu begründen (BAG v. 29.1.1981, AP, Nr. 6 zu § 9 KSchG 1969; BAG v. 19.8.1982, AP, Nr. 9 zu § 9 KSchG 1969).

 

Rz. 61

Stellt das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht gem. § 9 Abs. 1 S. 1 KSchG auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Stellt der Arbeitnehmer den Auflösungsantrag nach § 9 KSchG, nachdem der Arbeitgeber erklärt hat, er nehme die Kündigung zurück, ist darin i.d.R. eine Ablehnung des Angebotes des Arbeitgebers zu sehen, das Arbeitsverhältnis zu den ursprünglichen Bedingungen fortzusetzen (BAG v. 19.8.1982, EzA § 9 KSchG a.F. Nr. 14).

Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem. § 9 Abs. 1 S. 1 KSchG erstrebt, lässt jedoch seine Pflicht zur Arbeitsleistung nicht entfallen, solange dem Auflösungsantrag nicht – rechtskräftig – stattgegeben ist (BAG v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, Ls.).

Der Arbeitgeber kommt gem. §§ 295, 296 S. 1 BGB durch Ausspruch einer rechtsunwirksamen ordentlichen Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist in Annahmeverzug, ohne dass es eines – auch nur wörtlichen – Arbeitsangebots des Arbeitnehmers bedarf. In der Kündigung liegt zugleich die Erklärung, die Arbeitsleistung – nach Ablauf der Kündigungsfrist – nicht mehr anzunehmen (BAG v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, Rn 32; BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 251/11, Rn 12, BAGE 141, 340; BAG v. 11.1.2006 – 5 AZR 125/05, Rn 10, BAGE 116, 355; BAG v. 13.7.2005 – 5 AZR 578/04, zu II 1 der Gründe, BAGE 115, 216). Annahmeverzug tritt aber mit Ablauf der Kündigungsfrist ohne ein – auch nur wörtliches – Angebot des Arbeitnehmers grundsätzlich dann nicht ein, wenn der Arbeitgeber einen gegen die Kündigung gerichteten Kündigungsschutzantrag bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist i.S.v. § 307 S. 1 ZPO anerkennt und dadurch gegenüber dem Arbeitnehmer unmissverständlich klarstellt, zu Unrecht gekündigt zu haben (BAG v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, Rn 32; vgl. für die Beendigung eines Annahmeverzugs: BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 627/11, Rn 30, BAGE 143, 119; BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 249/11, Rn 14, BAGE 141, 34). Dafür bedarf es nicht erst der Annahme eines entsprechenden Fortsetzungsangebots des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer (BAG v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, Rn 32). Bereits mit dem Anerkenntnis entfällt vielmehr die bis dahin in der Kündigung liegende Erklärung des Arbeitgebers, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr annehmen zu wollen (BAG v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, Rn 32). Eine Aufforderung zur "Wiederaufnahme" der Arbeit ist nicht erforderlich, wenn es noch nicht zum Eintritt von Annahmeverzug gekommen ist (BAG v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, Rn 32; anders dagegen für die Beendigung eines bereits eingetretenen Annahmeverzugs BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 249/11, Rn 14, BAGE 141, 34).

Der Arbeitnehmer ist von der Pflicht zur Arbeitsleistung nicht deshalb befreit, weil er einen Auflösungsantrag gestellt hat (BAG v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, Rn 34). Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem. § 9 Abs. 1 S. 1 KSchG erstrebt, lässt die Pflicht zur Arbeitsleistung nicht entfallen, wenn dem Antrag nicht – rechtskräftig – stattgegeben wird (BAG v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, Rn 34; ebenso LAG Köln v. 12.11.2014 – 5 Sa 419/14, zu II 2 b aa der Gründe; a.A. LAG Rheinland-Pfalz v. 7.4.2005 – 4 Sa 955/04, zu II der Gründe).

§ 9 Abs. 1 S. 1 KSchG trifft keine Regelung über die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Auflösungsantrag. Vielmehr legt bereits der Wortlaut nahe, dass allein die Stellung des Antrags sie nicht aufzuheben vermag (BAG v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, Rn 35). Das Arbeitsverhältnis kann auf einen Antrag nach § 9 Abs. 1 S. 1 KSchG erst durch das Gericht aufgelöst werden.

Systematik und Gesamtzusammenhang der Regelung sprechen ebenfalls dagegen, den Arbeitnehmer ab dem möglichen Auflösungszeitpunkt gem. § 9 Abs. 2 KSchG allein aufgrund der Stellung des Auflösungsantrags als von seiner Pflicht zur Arbeitsleistung befreit anzusehen (BAG v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, Rn 36).

§ 9 Abs. 1 S. 1...

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