Rz. 81

Nach der Reform der ZPO, die über § 37 Abs. 1 StPO auch für das Strafverfahren gilt, wird ein Zustellungsmangel durch den tatsächlichen Zugang beim Betroffenen auch dann geheilt, wenn von der Zustellung der Lauf einer Not- oder Rechtsmittelfrist abhängig ist (§ 189 ZPO).

Im Bußgeldverfahren gelten die Vorschriften der ZPO jedoch nur, soweit das OWiG keine speziellen eigenen Regeln vorhält. Für das Zustellungsverfahren hält das OWiG mit § 51 OWiG eine eigene Zustellungsvorschrift vor.

Diese schloss in ihrer bis zum 30.4.2005 geltenden Fassung die Anwendung der dem § 189 ZPO entsprechenden Heilungsvorschrift des § 9 VwZG ausdrücklich aus, so dass eine Heilung unwirksamer Zustellungen ausgeschlossen war (OLG Düsseldorf DAR 2004, 41; OLG Koblenz zfs 2005, 363).

 

Rz. 82

 

Achtung: Gesetzesänderung

Versteckt in dem Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (JKomG) vom 22.3.2005 wurde mit Wirkung zum 1.5.2005 Satz 3 des § 51 Abs. 5 OWiG dahingehend geändert, dass für die Heilung von Zustellungsmängeln § 9 VwZG gilt, d.h. dass das Schriftstück in dem Zeitpunkt als wirksam zugestellt gilt, in dem es der Empfangsberechtigte nachweislich erhalten hat.

 

Rz. 83

Mit Wirkung vom 1.8.2006 ist dann durch das Gesetz zur Novellierung des Verwaltungszustellungsgesetzes § 51 Abs. 5 S. 3 OWiG aufgehoben worden, mit der Folge, dass ab diesem Zeitpunkt das (zuvor schon geänderte) Verwaltungszustellungsgesetz (jetzt § 8 VwZG) die Heilung von Zustellungsmängeln ermöglicht (z.B. OLG Karlsruhe zfs 2008, 112). Zu beachten ist aber, dass es sich dabei nur um eine Zustellungsfiktion handelt, mit der Folge, dass die Verjährung nicht auf den Zeitpunkt des Bußgeldbescheiderlasses zurückwirkt, sondern die Unterbrechung erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuganges eintritt (AG Husum DAR 2009, 158).

 

Rz. 84

 

Achtung: Heilung nur bei Zugang des Originals

Voraussetzung ist jedoch, dass dem Empfänger der Originalbescheid zugeht, es genügt weder der Zugang einer Kopie, noch die Kenntnis des Inhalts (BGH NJW 1984, 926; BGHZ 100, 234; OLG Hamm MDR 1992, 78; OLG Celle zfs 2011, 647).

Der Empfänger soll nämlich mit der Zustellung in die Lage versetzt werden, seine Rechte zu wahren; insoweit dienen die Zustellungsvorschriften auch der Verwirklichung des rechtlichen Gehörs (BVerfGE 67, 208). Aus diesem Grund muss sich der Empfänger von der Authentizität des ihm zugegangenen Schriftstückes überzeugen können (BGH, Urt. v. 15.3.2007 – 5 StR 536/06; BGH NJW 1992, 2280).

§ 2 VwZG stellt deshalb mit dem Erfordernis der Zustellung einer Urschrift, einer Ausfertigung oder einer beglaubigten Abschrift auch ausdrücklich besondere Anforderungen an die Authentizität des zu übergebenden Dokuments (vgl. amtliche Begründung BT-Drucks 15/5216, S. 11 zu § 2).

Deshalb kann den Oberlandesgerichten Saarbrücken (zfs 2009, 469), Hamm (DAR 2017, 642) und Oldenburg (DAR 2019, 586) aus den sich aus den nachfolgend zitierten Entscheidungen und insbesondere aus der Anmerkung von Preuth und Decker zu der vorgenannten Entscheidung des OLG Oldenburg ergebenden Gründen nicht gefolgt werden, wenn sie eine unwirksame Zustellung an den Verteidiger durch die gem. § 51 Abs. 3 S. 2 OWiG erfolgende Unterrichtung des Betroffenen mittels (unbeglaubigter) Abschrift des Bußgeldbescheides als geheilt ansehen (OLG Celle zfs 2011, 647; zfs 2016, 110; OLG Köln DAR 2013, 337). Das mag im Falle des Zugangs eines als Abschrift bezeichneten und im EDV-Verfahren erstellten Bußgeldbescheides anders zu beurteilen sein (OLG Stuttgart DAR 2014, 106).

 

Rz. 85

 

Achtung: Heilung nur wenn Zustellung gewollt war

Außerdem kann Heilung nur eintreten, wenn eine Zustellung auch gewollt war, also nicht, wenn nur eine formlose Übersendung erfolgen sollte (BGH NJW 2003, 1195; OLG Celle zfs 2011, 647; zfs 2016, 110). Deshalb kann der formlose Zugang der Mitteilung des Bußgeldbescheides beim Betroffenen oder dem Verteidiger nicht die Unwirksamkeit der eigentlichen Zustellung heilen. Im Übrigen kann nur der Zugang des Originalschriftstückes heilen, nicht der Zugang einer Kopie oder eines Faxes. Ebenso wenig heilt die mündliche Mitteilung des Inhaltes oder die sonstige Kenntnis.

 

Rz. 86

 

Achtung: Heilung bei unwirksamer Zustellung an die Kanzlei

Wird an eine aus mehreren Anwälten bestehende Kanzlei zugestellt, kann zwar die Heilung eintreten, wenn der zugestellte Originalbescheid dem Verteidiger selbst zugeht. Dass dies erfolgt ist, wird man in der Regel dann annehmen können, wenn der Verteidiger das daraufhin erfolgende Einspruchsschreiben unterschrieben hat. Unterschreibt ein Kollege, wird man wohl eine Unterbevollmächtigung, die nicht schriftlich erfolgen muss, unterstellen können, mit der Folge, dass eine wirksame Verteidigerbestellung erfolgt ist, mangels schriftlich vorliegender Vollmacht kann eine gesetzliche Zustellungsvollmacht und damit auch eine Heilung jedoch nicht unterstellt werden.

Legt weder der Betroffene noch ein Anwalt Einspruch ein, kann der unwirksam zugestellte Bußgeldbescheid nic...

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