Verfahrensgang

AG Daun (Entscheidung vom 23.07.2021; Aktenzeichen 8014 Js 15915/21)

 

Tenor

  1. Die Sache wird dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
  2. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Daun vom 23. Juli 2021 wird auf seine Kosten (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 S. 1 StPO) als offensichtlich unbegründet verworfen.
 

Gründe

I.

Am 30. April 2021 erging gegen den Betroffenen ein Bußgeldbescheid des Polizeipräsidiums ...[Z] wegen des Vorwurfs einer am 5. Februar 2021 begangenen fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Der Bußgeldbescheid konnte dem Betroffenen an seiner damals bekannten Anschrift nicht zugestellt werden, da dieser dort nicht zu ermitteln war. Eine Abschrift des Beschlusses wurde jedoch formlos an den Verteidiger übersandt, der sich zuvor mit Schriftsatz vom 9. März 2021 unter Vorlage einer Vollmacht (Bl. 38 d.A.) für den Betroffenen bestellt hatte und mit Schriftsatz vom 7. Mai 2021 Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegte. Mit Urteil vom 23. Juli 2021 verurteilte das Amtsgericht den Betroffenen wegen der genannten Ordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße von 120 € und verhängte ein Fahrverbot von einem Monat gegen ihn.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er unter Erhebung der allgemeinen Sachrüge die Verletzung materiellen Rechts sowie die Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren, insbesondere infolge der fehlenden Speicherung der Rohmessdaten, rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte ursprünglich beantragt, das Urteil aufgrund einer zuvor eingetretenen Verfolgungsverjährung aufzuheben und das Verfahren einzustellen. Nach erfolgtem Hinweis auf die abweichende Rechtsauffassung des Senats beantragt die Generalstaatsanwaltschaft nunmehr, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Der Betroffene machte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 5. März 2022 Ausführungen zur Frage der Verjährung.

II.

Die Einzelrichterin des Senats überträgt die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde des Betroffenen im Hinblick auf die Frage, inwieweit eine gescheiterte Zustellung an den Betroffenen durch den formlosen Zugang einer Abschrift bei dem Verteidiger geheilt werden kann, nach § 80a Abs. 3 S. 1 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern. Denn angesichts der unterschiedlichen hierzu vertretenen Meinungen in der obergerichtlichen Rechtsprechung ist es geboten, eine einheitliche Rechtsprechung des Senats und der Gerichte im Bezirk des Oberlandesgerichts Koblenz zu sichern.

III.

Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils nach Maßgabe der Rechtsbeschwerdebegründung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 und 3 StPO).

1.

Das - nicht gerügte, jedoch von Amts wegen zu prüfende - Verfahrenshindernis der Verjährung liegt nicht vor. Zwar ist der Bußgeldbescheid dem Betroffenen nicht zugestellt worden. Dieser Zustellungsmangel in der Person des Betroffenen wurde jedoch gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 OWiG i.V.m. §§ 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 LVwZG RP, 8 VwZG durch den Zugang der Abschrift des Bußgeldbescheids bei dem empfangsberechtigten Verteidiger (ausweislich der Einlegung des Einspruchs spätestens am 7. Mai 2021) geheilt. Insofern wurde die Verjährungsfrist (nach der ersten Unterbrechung durch Anordnung der Anhörung des Betroffenen am 12. Februar 2021) mit Erlass des Bußgeldbescheides am 30. April 2021 gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG erneut unterbrochen und verlängerte sich gemäß § 26 Abs. 3 Hs. 2 StVG auf sechs Monate, so dass zum Zeitpunkt des Urteils am 24. Juli 2021 keine Verjährung eingetreten war.

a)

Voraussetzung einer jeden Zustellung und auch der Heilung von Zustellungsmängeln ist zwar ein entsprechender Zustellungswille des Versenders, d.h. es muss eine förmliche Zustellung wenigstens angestrebt bzw. beabsichtigt gewesen sein (vgl. BGH, VI ZB 41/02 v. 26.11.2002 - NJW 2003, 1192; OLG Hamm, 3 RBs 106/17 v. 08.08.2017 - juris m.w.N.). Diese Voraussetzung ist vorliegend aber erfüllt, denn der Bußgeldbescheid sollte dem Betroffenen mittels Zustellungsurkunde förmlich zugestellt werden, geriet jedoch nebst Zustellungsurkunde in Rücklauf, da der Betroffene an der damals bekannten Anschrift nicht ermittelt werden konnte. Damit ist der Bußgeldbescheid mit Wissen und Wollen der Bußgeldbehörde und in der Absicht, Rechtsfolgen gegenüber dem Betroffenen auszulösen, aus dem internen behördlichen Bereich herausgegeben worden. Nicht erforderlich ist in diesem Zusammenhang, dass sich der Zustellungswille auf die Person bezog, der das Schreiben später tatsächlich zuging, und nicht einmal, dass - wie hier aber gegeben - auch die nachträgliche Kenntniserlangung durch den Adressaten oder eine andere empfangsberechtigte Person vom Willen der Behörde umfasst ist, solange grundsätzlich ein Bekanntgabewille vorlag (vgl. BVerwG, 8 C 43-95 v. 18.04.1997 - NVwZ 1999, 178 zu § 9 VwZG a.F., der dem heutigen § 8 VwZG entspri...

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