Rz. 1

Mehr als ¾ der deutschen Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 10 Mio. EUR sind eigentümergeführte[1] Familienunternehmen (vgl. § 1 Rdn 12). Von den Unternehmen mit bis zu neun Beschäftigen sind ca. 88 % eigentümergeführt, bei Unternehmen mit zehn bis 49 Beschäftigten immerhin noch ca. 84 %.[2] Vor diesem Hintergrund bilden die kleinen und mittleren Unternehmen sowie Handwerksbetriebe praktisch den Löwenanteil der zu gestaltenden Unternehmensnachfolgen (zu den konkreten Zahlen vgl. § 1 Rdn 19 f.).

Oftmals weichen kleine und mittlere Unternehmen – wie auch immer man diese größenabhängige Abgrenzung vornimmt – in ihren Strukturen vom (betriebswirtschaftlichen) Idealbild mehr oder weniger deutlich ab. Und nicht selten bilden diese Abweichungen auch einen Teil des Erfolgsrezepts, das diesen Unternehmen seit ihrer Gründung zu Wachstum und Wohlstand verholfen hat.

 

Rz. 2

Da ist zunächst die kompromisslose Identifikation des Unternehmers mit seinem Betrieb, "der Firma", zu nennen. Sie motiviert ihn zu vollem Einsatz für das Geschäft – oft in einem Maße, das man von einem Fremdmanagement (unabhängig von der gezahlten Vergütung) niemals erwarten könnte, und mit dem sich auch ein möglicher Nachfolger unter Umständen schwertut.

 

Rz. 3

Damit einher geht vielfach auch die sehr starke Fixierung des Unternehmens, einschließlich Mitarbeitern, Kunden- und Lieferantenbeziehungen, auf den Inhaber. Das macht es rein praktisch umso schwerer, die Verantwortung auf einen Nachfolger überzuleiten und stellt daher erhöhte Anforderungen an die Strukturierung dieses Prozesses und an die mentale Vorbereitung der Beteiligten. Dies gilt nicht nur für den Übergeber, der tatsächlich Verantwortung abgeben muss, sondern auch für den Übernehmer, dem es gelingen muss, aus dem Schatten des bisherigen Inhabers herauszutreten, ihn nicht nur zu kopieren, sondern einen eigenen Stil zu entwickeln, ohne dabei die Errungenschaften der Vergangenheit über Bord zu werfen. Dies alles sind Aufgaben, die von den Betroffenen sehr oft deutlich unterschätzt werden, mit Hilfe professionellen Coachings aber lösbar sind.

 

Rz. 4

Ein weiteres typisches Spezifikum kleiner und mittlerer Unternehmen besteht im Fehlen einer "zweiten Ebene im Management". Alles dreht sich um den Inhaber, er ist alleiniger Entscheidungsträger und oft auch allein über alles Wesentliche im Bilde. Fällt er aus, ist er de facto unersetzlich – jedenfalls (und darauf kommt es an) kurzfristig. Das birgt erhebliche Gefahren sowohl für das Unternehmen als auch für das Vermögen der Familie. Mithin sollte in derart gelagerten Fällen unverzüglich damit begonnen werden, eine angemessene Notfallvorsorge zu treffen und wenigstens eine Art "Notfallakte" zu erstellen, die die wesentlichen Informationen (Dokumente, Passwörter etc.), Ansprechpartner (Kunden, Lieferanten, Bank, Rechtsanwalt, Steuerberater etc.) und vor allem eine umfassende Vollmacht und (möglichst getrennt davon) Handlungsanweisungen für den Notfall enthält.

 

Rz. 5

Vielfach ergibt sich aus der engen Beziehung des Unternehmers zu seinem Unternehmen auch eine enge Verzahnung desselben mit der gesamten Unternehmerfamilie. Dies beginnt oft bereits mit einer räumlichen Nähe (Wohnung im Geschäftshaus bzw. auf dem Betriebsgelände) und setzt sich in der Mitarbeit im Betrieb (mit oder ohne angemessene Vergütung) fort. Nicht selten werden auch die Kosten der privaten Lebensführung teilweise über den Betrieb finanziert, klassische Beispiele hierfür sind oft diverse überwiegend oder ausschließlich vom Ehegatten bzw. den Kindern genutzte betriebliche Kfz. In dieselbe Kategorie fällt auch die Limousine oder der Sportwagen des Eigentümers, für den – aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht – auch ein kleineres Fahrzeug völlig ausreichend wäre.

 

Rz. 6

Diese Erscheinungen sind oftmals auch dadurch bedingt, dass außerhalb des Unternehmens nur ein vergleichsweise überschaubares Privatvermögen existiert, da die erzielten Gewinne überwiegend im Unternehmen thesauriert werden. Nicht selten sind auch an Angehörige gezahlte Tätigkeitsvergütungen unangemessen niedrig, wodurch das Bedürfnis, privat veranlasste Aufwendungen vom Unternehmen tragen zu lassen, steigt. Aber auch der umgekehrte Fall ist weit verbreitet: Angehörigen gezahlte Tätigkeitsvergütungen liegen dann eher am oberen Rand dessen, was betriebswirtschaftlich noch gerechtfertigt werden kann. Auch Mieten und Pachten für betrieblich genutzte Grundstücke und andere Wirtschaftsgüter, die im Eigentum von Familienangehörigen stehen, werden "eher üppig" bemessen, um einerseits den Angehörigen zu einem respektablen eigenen Einkommen zu verhelfen und andererseits die Steuerbelastung für den Betriebsinhaber zu reduzieren.

 

Rz. 7

Diese Varianten sind nur einige von vielen Beispielen für gerade bei kleineren und mittleren Unternehmen anzutreffende Gestaltungen, die im Wesentlichen aus steuerlichen Gründen gewählt werden. Es ist daher in vielen Fällen zu hinterfragen, ob die bestehenden Eigentums- bzw. Nutzungsverh...

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