Rz. 55

Die Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten gehört nur zu den Aufgaben des Nachlasspflegers, soweit dies zur Erhaltung des Nachlasswertes geboten ist, insbesondere um Kosten durch unnötige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.[39]

 

Rz. 56

Nach § 1979 BGB muss er die Zahlung daher jedenfalls zurückstellen, wenn eine Überschuldung möglich erscheint. Der Nachlasspfleger hat insofern eine Prüfungspflicht:[40] Er muss vor einer Zahlung an Nachlassgläubiger einerseits sorgfältig prüfen, welche Nachlassverbindlichkeiten vorhanden sind und in Zukunft noch entstehen können, sowie andererseits, welche Nachlassaktiva zum Nachlass gehören und welchen Erlös er aus der Verwertung der Aktiva erlangen wird. Hierzu wird es in aller Regel einer möglichst vollständigen Sichtung des Nachlasses, eingehender Durcharbeitung der Unterlagen des Erblassers, Rückfragen z.B. bei Angehörigen und möglichen Vertragspartnern und auch sonstiger Ermittlungen bedürfen. Auf derartige mühevolle und oft auch kostspielige Vorarbeiten, die im allgemeinen sogar kaum Aufschub dulden, wird nach Ansicht des BGH selbst dann nicht völlig verzichtet werden können, wenn der Nachlasspfleger zu dem Erblasser in engen Beziehungen stand und deshalb von vornherein mit den Verhältnissen vertraut ist. Auch wenn es sich sonst um (scheinbar) klare und übersichtliche Verhältnisse handelt, ist es im Allgemeinen geboten, dass der Nachlasspfleger die Nachlassaktiva und -passiva vollständig erfasst und bewertet und mindestens in groben Zügen aufzeichnet. Hat der Nachlasspfleger Grund zu der Annahme, dass Nachlassverbindlichkeiten vorhanden sind, die ihm trotz aller gebotenen Klärungsversuche noch nicht bekannt geworden sind (vgl. § 1980 Abs. 2 S. 2 BGB), dann muss er grundsätzlich auch das Aufgebot der Nachlassgläubiger beantragen.

 

Rz. 57

Steht nach Durchführung eines Gläubigeraufgebotsverfahrens die Überschuldung fest, steht es dem Nachlasspfleger bei ausreichender Nachlassmasse frei, einen Insolvenzantrag zu stellen oder mit den Gläubigern einen Gläubigervergleich abzuschließen (vgl. ausführlich § 9 Rdn 106 ff.). Mit den Gläubigern wird die Zahlung einer Quote aus dem Restnachlass vereinbart. Der Vergleich bedarf gemäß §§ 1960, 1915, 1822 Nr. 12 BGB der nachlassgerichtlichen Genehmigung. Reicht die Masse hierfür nicht aus, kann der Pfleger den Nachlass über die Dürftigkeitseinrede nach §§ 1990, 1991 BGB abwickeln.

 

Rz. 58

Im Zusammenhang mit dieser "Todsünde" ist auch darauf hinzuweisen, dass Forderungen von Ärzten, Krankenhäusern und Apotheken trotz bestehender privater Krankenversicherung (§§ 192 ff. VVG) nicht bevorrechtigt aus möglichen Erstattungen zu befriedigen sind. Zahlungen der privaten Krankenversicherungen erfolgen nicht zweckgebunden. Da das Kostenerstattungsprinzip gilt, findet eine Direktzahlung an die Ärzte und Krankenhäuser nicht statt, soweit nicht der Versicherer durch Kostenübernahmeerklärung oder aufgrund des Krankenhausausweises (Clinic Card)[41] unmittelbar bezahlt. Die Erstattungsansprüche sollten in diesen Fällen daher zunächst komplett zur Nachlassmasse gezogen werden.

Die Erstattungsansprüche dürfen nach den maßgeblichen Versicherungsbedingungen im Regelfall auch nicht abgetreten werden (vgl. z.B. § 6 Abs. 6 MB/KK 2008). Zulässig sind allerdings Auszahlungsvereinbarungen bzw. Zahlungsanweisungen im Sinne der §§ 783 ff. BGB.[42] Insofern ist es möglich, die Krankenversicherung um direkte Abrechnung mit den Leistungserbringern zu bitten. Bei einem überschuldeten Nachlass kann eine solche Anweisung freilich zu einer Regress auslösenden Benachteiligung der übrigen Gläubiger führen.

[39] OLG München v. 7.1.2010 – 31 Wx 154/09, FGPrax 2010, 74 = Rpfleger 2010, 326 = ZErb 2010, 54 = ZEV 2010, 366 m.w.N.
[40] BGH v. 11.7.1984 – IV a ZR 23/83 = NJW 1985, 140; OLG Schleswig v. 30.5.2006 – 3 U 89/04 = ZInsO 2006, 885.
[41] Zur Rechtsnatur des Clinic Card-Vertrages vgl.: LG Dortmund v. 8.3.2007 – 2 S 26/06, NJW 2007, 3134 m.w.N. (Garantieversprechen) sowie OLG München v. 18.10.2005 – 25 U 4903/04, NJW-RR 2005, 169; OLG München v. 20.8.2013 – 25 U 1842/13, BeckRS 2013, 19194 (Abtretung); Adam, NJW 2011, 7 ff.
[42] Vgl. OLG Köln v. 24.5.1984 – 5 U 254/83, VersR 1984, 1165.

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