Rz. 106
Zur Vorbereitung dieses Vergleiches ist es aber unerlässlich, zuvor ein Gläubigeraufgebotsverfahren nach § 1970 BGB durchzuführen. In diesem Verfahren werden Nachlassgläubiger aufgefordert, ihre Forderungen anzumelden. Melden sich Gläubiger erst nach Ablauf der Aufgebotsfrist, kann der Nachlasspfleger deren Befriedigung verweigern, soweit der Nachlass schon erschöpft ist. Dem Nachlasspfleger ist es hierdurch möglich, den Bestand der Forderungen festzustellen und unbekannt gebliebene Gläubiger auszuschließen. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass er sich mit den Gläubigern, die ihre Forderungen angemeldet haben, abschließend auf eine Quotenzahlung vergleichen kann. Der Nachlasspfleger braucht dann nicht mehr zu befürchten, dass später auftauchende Gläubiger ihn auf Schadensersatz in Anspruch nehmen wollen mit der (zweifelhaften) Argumentation, sie hätten das Insolvenzverfahren beantragt und eine Quote erhalten. Denn der Ausschluss gilt auch für ein Insolvenzverfahren, vgl. § 327 Abs. 3 InsO. Die Notwendigkeit der Durchführung des Gläubigeraufgebotsverfahrens wird in der Praxis der Nachlasspflegschaft und der anwaltlichen erbrechtlichen Beratung verkannt.[135]
Rz. 107
Im Einzelnen gilt für das Gläubigeraufgebotsverfahren (§ 1970 BGB i.V.m. §§ 433, 454 ff. FamFG) Folgendes:[136]
a) Zuständigkeit
Rz. 108
Zuständig ist (wenn eine Regelung im Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts fehlt) das Amtsgericht – streitige Zivilabteilung, nicht das Nachlassgericht und zwar unabhängig vom Streitwert.[137] Funktionell zuständig ist nunmehr der Rechtspfleger (§ 3 Nr. 1 Buchst. c RPflG), die bisherige Richterzuständigkeit wurde gestrichen.
b) Verfahren
aa) Anmeldeverfahren
Rz. 109
Der bisherige Aufgebotstermin wurde mit dem FamFG abgeschafft und durch ein gewöhnliches schriftliches Anmeldeverfahren ersetzt, an dessen Ende ein Beschluss steht.
bb) Antragsberechtigung
Rz. 110
Der Nachlasspfleger ist antragsberechtigt, § 455 Abs. 1 FamFG. Der Antrag für das Aufgebot der Nachlassgläubiger kann ohne jede zeitliche Begrenzung gestellt werden. Lediglich der Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens beendet das Gläubigeraufgebotsverfahren, § 457 FamFG.
cc) Verzeichnis der Nachlassgläubiger
Rz. 111
Dem Aufgebotsantrag ist ein Verzeichnis der Nachlassgläubiger mit Angabe ihres Wohnortes (ladungsfähige Anschrift) beizufügen, § 456 FamFG. Die Angabe von Forderungsgrund und Forderungshöhe ist nicht erforderlich. Sinnvoll ist jedoch eine Angabe eines Aktenzeichens oder einer Rechnungsnummer des Gläubigers. Melden sich bislang unbekannte Gläubiger nach Antragstellung beim Nachlasspfleger, sollten diese auf das Aufgebotsverfahren verwiesen werden. Die Aufnahme in das Verzeichnis ersetzt nicht die Anmeldung durch den Gläubiger.[138] Sie enthält auch kein Anerkenntnis durch den Nachlasspfleger, sondern sagt nur aus, wer Forderungen geltend gemacht hat. Das Gericht kann dem Antragsteller aufgeben, die Richtigkeit des Verzeichnisses an Eides statt zu versichern. Rechtsgrundlage hierfür ist § 439 Abs. 1 FamFG. Dies steht aber im Ermessen des Gerichts. Beim Nachlasspfleger kann im Regelfall davon abgesehen werden, da er als vom Gericht bestellter Träger eines privaten Amtes kein persönliches Interesse hat, Gläubiger zu "unterschlagen".
Rz. 112
Praxistipp
Die Angabe der Forderungshöhe sollte unterbleiben. So hat der Nachlasspfleger eine Kontrolle, dass das Gericht nur die Gläubiger in den Ausschließungsbeschluss aufnimmt, die tatsächlich auch Forderungen anmelden. In der Praxis ist es schon vorgekommen, dass Gerichte die Forderungen aus dem Verzeichnis in den Ausschließungsbeschluss übernommen haben, ohne das die Gläubiger überhaupt Forderungen bei Gericht angemeldet haben.
Rz. 113
Darüber hinaus ist es aus Haftungsgründen angebracht, immer das Finanzamt als möglichen Gläubiger mit in das Verzeichnis aufzunehmen, insbesondere dann, wenn ggf. noch nicht alle Steuererklärungen abgegeben und Steuerverbindlichkeiten festgesetzt sind. Der Nachlasspfleger muss wegen der Erhaltung der aufschiebenden Einrede des Aufgebotsverfahrens in diesen Fällen das Aufgebotsverfahren nicht bis zur Klärung der Frage der Steuerschuld zurückstellen.[139]
Rz. 114
Wird die Steuerverbindlichkeit aber erst nach Vorliegen eines Ausschließungsbeschlusses festgesetzt und war das Finanzamt vom Nachlasspfleger nicht als potentieller Gläubiger benannt und hat Forderungen dementsprechend auch nicht angemeldet, droht seine persönliche Haftung nach § 69 AO. Diese kann nur vermieden werden, wenn das Finanzamt auch als potentieller Gläubiger im Aufgebotsverfahren benannt wird. Denn dann ist es nach der Rechtsprechung Sache des Finanzamts entweder Forderun...
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