Rz. 55

Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist von der Verhängung eines Fahrverbotes dann abzusehen, wenn der Betroffene andernfalls seinen Arbeitsplatz verlöre (BayObLG NZV 1991, 436; OLG Oldenburg DAR 2003, 574).

Die bloße Behauptung des Betroffenen reicht indessen hierfür nicht aus (OLG Koblenz NZV 1997, 48), sie ist vielmehr kritisch zu hinterfragen (OLG Bamberg zfs 2006, 533; OLG Bamberg DAR 2011, 401).

Das darf allerdings nicht dazu führen, einem Betroffenen, der eine entsprechende Bescheinigung seines Arbeitgebers vorgelegt hat, eine weitere Darlegungs- und Beweislast aufzuerlegen. Bei Zweifeln muss das Gericht vielmehr beim Arbeitgeber nachfragen oder ihn als Zeugen hören (OLG Köln DAR 2008, 158; OLG Bamberg DAR 2011, 401).

 

Rz. 56

Nach Auffassung des OLG Brandenburg (NStZ – RR 2004, 93) und des KG (Urt. v. 5.2.2019 – 3 Ws (b) 3/19) rechtfertigt die Androhung einer offensichtlich rechtswidrigen Kündigung alleine kein Absehen vom Fahrverbot, während nach zutreffender Auffassung die Frage, ob die drohende Kündigung rechtlich auch durchsetzbar wäre, nicht zu prüfen ist, da dem Betroffenen nicht das Risiko auferlegt werden darf, die Rechtmäßigkeit einer solchen Kündigung gerichtlich klären zu lassen (OLG Celle zfs 1996, 35), was vor allem bei einer noch laufenden Probezeit zu gelten hat (OLG Bamberg NZV 2010, 46).

Zu prüfen ist allerdings immer, ob nicht zumutbare Alternativen bestehen, wie z.B. die Möglichkeit, das Fahrverbot gem. § 25 Abs. 2a StVG in die Urlaubszeit zu verlegen (OLG Hamm NZV 2000, 96). Voraussetzung hierfür ist allerdings die Feststellung, dass der Betroffene über einen ausreichend langen Jahresurlaub verfügt und ihn innerhalb der Frist des § 25 Abs. 2a StVG "an einem Stück" nehmen kann (OLG Hamm DAR 2005, 460; zfs 2008, 645).

Teilweise wird selbst einem abhängig Beschäftigten die Einstellung eines Aushilfsfahrers zugemutet (OLG Hamm NZV 2007, 154), dies setzt jedoch die Klärung der Frage voraus, ob der Betroffene finanziell zur Finanzierung einer solchen Maßnahme überhaupt in der Lage ist (OLG Karlsruhe NZV 2004, 653; KG NZV 2010, 311), zumal einem abhängig Beschäftigten, anders als einem Freiberufler, eine Kreditaufnahme zur Abmilderung der nachteiligen Folgen eines Fahrverbotes wohl kaum zugemutet werden kann (OLG Hamm NZV 2007, 583), wie generell gesagt werden kann, dass einem Ersttäter ein geringeres Maß an Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz zugemutet werden kann als einem Wiederholungstäter (OLG Brandenburg DAR 2004, 460).

Schließlich darf eine Ausnahme auch nicht mit der Begründung versagt werden, der Betroffene habe die neue Arbeitsstelle erst nach Erhalt des Bußgeldbescheides angetreten (Thüringer OLG zfs 2004, 479).

 

Rz. 57

 

Achtung: Feststellung der beruflichen Verhältnisse

Bei einem abhängig Beschäftigten ist die Verhängung eines Fahrverbotes, zumindest wenn sich der Betroffene auf einen Härtefall beruft, nur nach entsprechenden Feststellungen zu den persönlichen, insbesondere den beruflichen Verhältnissen zulässig (OLG Karlsruhe zfs 2006, 230; OLG Köln DAR 2013, 529), wohingegen das OLG Bamberg (NZV 2014, 98; NZV 2018, 290) eine Aufklärungspflicht des Gerichts nur nach entsprechendem substantiierten Vortrag des Betroffenen sieht.

Legt der Betroffene allerdings eine entsprechende Arbeitgeberbescheinigung vor, darf ihm das Gericht keine weitergehende Darlegungs- und Beweislast auferlegen. Das Gericht hat dann eventuell noch bestehende Zweifel von Amts wegen aufzuklären und muss entweder beim Arbeitgeber nachfragen oder diesen als Zeugen vernehmen (OLG Köln DAR 2008, 158; OLG Bamberg DAR 2011, 401).

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