Rz. 122

Grds. kann der Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung durch eine einstweilige Verfügung nach § 940 ZPO durchgesetzt werden (vgl. LAG Baden-Württemberg v. 27.5.2021 – 3 SaGa 1/21, juris Beschäftigung als Chefredakteur der online Redaktion im Home Office; LAG Hamm v. 5.2.2021 – 12 SaGa 1/21, juris Rn 33). Ein entsprechender Titel (vgl. zu den Anforderungen an die Bestimmtheit des Titels Korinth, ArbRB 2020, 386, 387) wird gem. § 888 ZPO durch Zwangsgeld oder Zwangshaft vollstreckt (vgl. Korinth, ArbRB 2020,386). Entscheidend für den Effekt ist die Schnelligkeit, woran es in der Praxis vielfach scheitert (vgl. BAG v. 5.2.2020 – 10 AZB 31/19, juris). Zu Recht bezeichnet RiArbG Korinth die Vollstreckung von Beschäftigungstiteln als ein schwieriges Unterfangen (Korinth, ArbRB 2020, 386). Dies liegt u.a. daran, dass selbst innerhalb der Rechtsprechung die Frage unterschiedlich beantwortet wird, welche Anforderungen an den Verfügungsgrund zu stellen sind, insbesondere ob ein besonderes Beschäftigungsinteresse glaubhaft gemacht werden muss oder ob allein aus dem Zeitablauf die besondere Eilbedürfnis folge und damit der Verfügungsgrund gegeben sei (vgl. die Übersicht der unterschiedlichen Rechtsprechung in der Entscheidung des LAG Hamm v. 5.2.2021 – 12 SaGa 1/21, juris Rn 33). Bis diese Frage einheitlich geklärt ist, empfiehlt es sich, stets ein besonderes Beschäftigungsinteresse darzulegen. Nach LAG Hamm sei je nach Fallkonstellation zu unterscheiden. Die unterschiedlichen Fallkonstellationen würden nicht immer hinreichend in den Blick genommen. Explizit nennt das LAG Hamm auch die Fallkonstellationen, in denen das Arbeitsverhältnis gekündigt worden ist und in denen um die Beschäftigung vor Ablauf oder nach Ablauf der Kündigungsfrist gestritten wird (vgl. LAG Hamm v. 5.2.2021 – 12 SaGa 1/21, juris Rn 33). Insgesamt ist der Rechtszustand uneinheitlich und unbefriedigend. M.E. darf dies nicht dazu führen, dass letztlich der Beschäftigungsanspruch ins Leere läuft. Es ist Aufgabe der Rechtsprechung, dies zu korrigieren.

 

Rz. 123

 

Hinweis (Beispiel für eine erfolgreiche einstweilige Verfügung)

1. Die Freistellung einer geschäftsführenden Oberärztin nach einem Chefarztwechsel zur Erzwingung und Durchführung von Verhandlungen über die Aufhebung eines Anstellungsverhältnisses, dass ungekündigt und aufgrund langjähriger Betriebszugehörigkeit sowie Sonderkündigungsschutzes nicht ordentlich kündbar ist, kann rechtsmissbräuchlich und nicht schutzwürdig sein (vgl. LAG Schleswig-Holstein v. 6.2.2020 – 3 SaGa 7 öT/19, juris Ls).
2. Denn die sofortige Freistellung macht die Oberärztin, die in der Krankenversorgung, Wissenschaft und Forschung tätig ist und die von allen Systemen und EDV-Zugängen getrennt wurde, für die Außenwelt "unsichtbar" mit zweifelsfrei zu befürchtendem Reputationsverlust und Beeinträchtigungen für die wissenschaftliche Tätigkeit (vgl. LAG Schleswig-Holstein v. 6.2.2020 – 3 SaGa 7 öT/19, juris Rn 38 Verfügungsgrund).
3. Der Beschäftigungsanspruch wurde im vorliegenden Fall durch die dreigeteilte Arbeitsleistung der Oberärztin in der Krankenversorgung, der Wissenschaft und der Forschung noch verstärkt. Mit der Freistellung wurde sie aus allen drei Bereichen ausgeschlossen, auch aus der Weiterbetreuung von 18 Doktoranden (vgl. LAG Schleswig-Holstein v. 6.2.2020 – 3 SaGa 7 öT/19, juris Rn 42 ff. Verfügungsanspruch).

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