Rz. 34

Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 623 BGB gilt dieser (nur) für Auflösungsverträge. Umstritten ist, welche Vertragsgestaltungen – außerhalb von Aufhebungsverträgen – als Auflösungsverträge i.S.d. § 623 BGB anzusehen sind (vgl. BAG v. 19.4.2007 – 2 AZR 208/06, NZA 2007, 1227 = DB 2007, 2266).

 

Rz. 35

Klageverzichtsvereinbarungen sind Auflösungsvereinbarungen i.S.v. § 623 BGB und bedürfen der Schriftform. Nach Auffassung des BAG sprechen die besseren Gründe für die Annahme einer Formbedürftigkeit jedenfalls auch solcher Klageverzichtsvereinbarungen, die in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung getroffen werden. Der Verzichtsvertrag, bei dem gem. § 126 Abs. 2 BGB die Unterzeichnung durch beide Parteien auf derselben Urkunde erfolgen muss, werde gerade deshalb geschlossen, weil bei seinem Abschluss noch unsicher ist, ob die bereits ausgesprochene und noch angreifbare Kündigung ihr Ziel herbeiführen wird. Die Auflösung zu erreichen, sei ihr einziger Sinn (vgl. BAG [2. Senat] v. 19.4.2007 – 2 AZR 208/06, NZA 2007, 1227 = DB 2007, 2266; kritisch Müller, BB 2011, 1653). An den unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang sind allerding strenge Anforderungen zu stellen. Der Klageverzicht muss Teil eines einheitlichen Rechtsgeschäftes der Parteien zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses sein. Allein die zeitliche Nähe zwischen Klageverzicht und Erhalt der Kündigung vermag den erforderlichen Zusammenhang nicht zu begründen (vgl. BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13). Von einem wirksamen Klageverzicht ist inhaltlich nur dann auszugehen, wenn dies in der Erklärung unmissverständlich zum Ausdruck kommt (vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 5.1.2011 – 15 Sa 1992/10). Im Fall eines wirksamen Klageverzichts ist eine gleichwohl erhobene Kündigungsschutzklage als unzulässig abzuweisen (vgl. BAG v. 24.9.2014 – 2 AZR 788/13).

 

Rz. 36

Eine weitere Hürde mit der Folge der Unwirksamkeit gilt für formularmäßige Klageverzichtsverträge ohne Gegenleistung des Arbeitgebers (vgl. BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13). Der formularmäßige Verzicht auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage ohne Gegenleistung stellt eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Der reine Klageverzicht ohne jede arbeitgeberseitige Kompensation (etwa in Bezug auf den Beendigungszeitpunkt, die Beendigungsart, Zahlung einer Entlassungsentschädigung, Verzicht auf eigene Ersatzansprüche, etc.) sei unangemessen. Durch den wirksam erklärten Klageverzicht könne der Arbeitgeber seine weiteren Dispositionen treffen, ohne die Unsicherheit hinsichtlich der Wirksamkeit seiner Kündigung am Ende eines möglicherweise langjährigen Prozesses zu fürchten. Die Belange des Arbeitnehmers würden nicht hinreichend berücksichtigt (vgl. BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219 = DB 2008, 411 für eine vorformulierte Vereinbarung im Fall einer Verkäuferin bei Fehlen der Tageseinnahme i.H.v. 4.375,00 EUR "Kündigung akzeptiert und mit Unterschrift bestätigt, auf Klage gegen die Kündigung wird verzichtet"; zu Recht krit., Bauer/Günther, NJW 2008, 1617; vgl. ferner Henssler/Moll, AGB-Kontrolle, S. 153). Auch eine unangemessene kompensatorische Gegenleistung führt zur Unwirksamkeit des Klageverzichts. Die Verpflichtung zur Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses mit guter Leistung- und Führungsbewertung ist keine angemessene kompensatorische Gegenleistung (vgl. BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 347/14). Ein formularmäßiger Klageverzicht in einem Aufhebungsvertrag, der zur Vermeidung einer angedrohten außerordentlichen Kündigung (= Verzicht auf die a.o. Kündigung als Gegenleistung) geschlossen wird, benachteiligt ebenfalls den Arbeitnehmer unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, wenn ein verständiger Arbeitgeber die angedrohte Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte, die Drohung also widerrechtlich i.S.d. § 123 BGB ist (vgl. BAG v. 12.3.2015 – 6 AZR 82/14; vgl. ferner zur Anfechtung und Nichtigkeit von Klageverzichtsvereinbarungen unten Rdn 441).

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