Entscheidungsstichwort (Thema)

Klageverzichtsvertrag. Kündigung ohne Abmahnung

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Verzicht des Arbeitnehmers auf eine Kündigungsschutzklage muss in einer Ausscheidensvereinbarung unmissverständlich zum Ausdruck kommen.

 

Normenkette

KSchG § 1; BGB § 305c Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 06.08.2010; Aktenzeichen 28 Ca 9707/10)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 06.08.2010 – 28 Ca 9707/10 – abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 15.06.2010 zum 30.09.2010 beendet worden ist.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten Bedingungen als Service-Techniker weiter zu beschäftigen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung vom 15. Juni 2010 und den vorläufigen Weiterbeschäftigungsanspruch.

Der Kläger war seit dem 1. Juli 2002 bei der Beklagten als Service-Techniker gegen ein Bruttomonatsentgelt von zuletzt 2.800,– EUR beschäftigt. Die Beklagte vertreibt und wartet Druckmaschinen.

Am 15. Juni 2010 fand auf Veranlassung des Klägers ein Personalgespräch statt, an dem der Geschäftsführer der Beklagten und der Vorgesetzte des Klägers, Herr L., teilnahmen. Hierbei ging es u. a. um atmosphärische Störungen im Verhältnis zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten. Nach einem längeren Gespräch fand auf Veranlassung der Beklagtenvertreter eine Unterbrechung statt, wobei der Zeitraum der Pause zwischen den Parteien streitig ist. Danach übergaben diese das Kündigungsschreiben vom 15. Juni 2010 (Bl. 3 d. A.) und den Text einer Vereinbarung (Bl. 39 d. A.). Dieser lautet:

„Vereinbarung

(zwischen Kläger und Beklagten)

anlässlich des Ausscheidens per 30.09.2010.

1. Das zwischen der Gesellschaft und Herrn V. bestehende Anstellungsverhältnis endet gemäß Kündigung vom 15.06.2010 zum 30.09.2010.”

In vier weiteren Punkten waren u. a. Regelungen zur Freistellung und zur Rückgabe des Dienstwagens enthalten. Der Kläger hat diese Vereinbarung ebenfalls unterschrieben.

Mit der am 23. Juni 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 1. Juli 2010 zugestellten Klage setzt der Kläger sich gegen die Kündigung zur Wehr.

Er hat behauptet, das Gespräch am 15. Juni 2010 habe nur ca. 5 Minuten gedauert. Man habe ihm erklärt, eine Unterzeichnung der Vereinbarung sei notwendig, um offene Formalitäten zu regeln. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, in Ziffer 1 der Vereinbarung läge nur eine Tatsachenerklärung.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parten nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 15.06.2010 zum 30.09.2010 beendet werden wird;
  2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten Bedingungen als Service-Techniker weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Erhebung der Kündigungsschutzklage stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar. Die Parteien hätten sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geeinigt und hierüber Einvernehmen erzielt.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 6. August 2010 die Klage abgewiesen. Es hat hierbei im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe im Wege der einvernehmlichen Vereinbarung vom 15. Juni 2010 auf seinen Kündigungsschutz verzichtet. Zwar hätte die Klageverzichtserklärung klarer formuliert werden können, doch ändere dies nichts an dem Ergebnis, dass der Kläger mit dem vorgesehenen Ausscheiden aus dem Betrieb seinen Frieden gemacht habe.

Dieses Urteil ist dem Kläger am 18. August 2010 zugestellt worden. Die Berufung und Begründung gingen am 10. September 2010 beim Landesarbeitsgericht ein.

Der Kläger ist der Ansicht, dass das Arbeitsverhältnis im Wesentlichen unbelastet gewesen sei. Dies ergebe sich schon daraus, dass ihm mit Schreiben vom 28. April 2008 unstreitig eine Gehaltserhöhung trotz der wirtschaftlich schwierigen Lage zugebilligt worden sei (Bl. 73 d. A.). Am 15. Juni 2010 habe man ca. eine Stunde die atmosphärischen Probleme besprochen. Die Beklagte habe dann die Unterredung für ca. fünf Minuten, eine Zigarettenlänge, unterbrochen. Danach habe er unvermittelt die Kündigung erhalten.

Der Kläger beantragt,

  1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 06.08.2010 zum Gz. 28 Ca 9707/10 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 15.06.2010 zum 30.09.2010 beendet worden ist;
  2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten Bedingungen als Service-Techniker weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass ein Klageverzicht eine Abwicklungsvereinbarung immanent sei. Hier sei ein Vergleichs...

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