Rz. 17

In arbeitsrechtlichen Angelegenheiten ist zum Teil vorgeschrieben, dass vor Einleitung eines Rechtsstreits ein Schlichtungsverfahren durchzuführen ist, so nach § 111 Abs. 2 ArbGG oder nach §§ 76a, 112 BetrVG und in weiteren Fällen. Für diese Verfahren sieht Nr. 2303 Nrn. 2, 3 und 4 VV vor, dass eine gesonderte 1,5-Geschäftsgebühr anfällt.[8] Hierzu siehe § 9.

 

Rz. 18

Nach § 17 Nr. 7 RVG stellt das Schlichtungsverfahren eine eigene Angelegenheit dar. Dies gilt sowohl gegenüber der vorangegangenen außergerichtlichen Vertretung als auch gegenüber einem nachfolgenden Rechtsstreit. Insgesamt sind also drei Angelegenheiten gegeben, nämlich

außergerichtliche Vertretung,
Tätigkeit im Schlichtungsverfahren und
Tätigkeit im Rechtsstreit vor dem ArbG.

In allen drei Angelegenheiten erhält der Anwalt seine Vergütung gesondert, insbesondere auch eine gesonderte Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV.

 

Rz. 19

Für die außergerichtliche Vertretung, gerichtet auf die Abwehr der Kündigung, erhält der Anwalt eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV.

 

Rz. 20

Das Schlichtungsverfahren ist gegenüber der außergerichtlichen Tätigkeit eine eigene Angelegenheit (§ 17 Nr. 7 RVG). Der Anwalt erhält hier also eine weitere Vergütung (§ 15 Abs. 1, 2 RVG). Die Gebühren richten sich dabei nach Nr. 2303 Nr. 2 VV. Dem Anwalt steht eine Geschäftsgebühr in Höhe von 1,5 zu. Im Gegensatz zur Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV besteht bei der Gebühr nach Nr. 2303 VV kein Ermessensspielraum. Die Gebühr ist mit 1,5 festgeschrieben. Zu berücksichtigen ist, dass die Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV gem. Vorbem. 2.3 Abs. 6 VV auf die Gebühr nach Nr. 2303 VV anzurechnen ist, allerdings lediglich zur Hälfte, höchstens zu 0,75.

 

Rz. 21

Im anschließenden Kündigungsschutzprozess erhält der Anwalt seine Vergütung nach den Nrn. 3100 ff. VV. Zunächst einmal erhält er eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV. Auf diese Gebühr anzurechnen ist nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV allerdings eine vorausgegangene Geschäftsgebühr der Nrn. 2300 bis 2303 VV. Da hier mehrere Geschäftsgebühren angefallen sind, wird nur die letzte Gebühr angerechnet (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 3 VV), also die 1,5-Gebühr nach Nr. 2303 Nr. 2 VV. Auch hier ist die Anrechnung auf die Hälfte beschränkt, also auf 0,75 (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV).

 

Beispiel 6: Schlichtungsverfahren nach § 111 Abs. 2 ArbGG

Der Arbeitgeber spricht gegenüber seinem Auszubildenden die fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses aus (monatliche Ausbildungsvergütung: 800,00 EUR). Daraufhin beauftragt der Auszubildende einen Anwalt, der zunächst versucht, außergerichtlich die Kündigung abzuwehren. Die Tätigkeit ist weder umfangreich noch schwierig. Hiernach ruft der Anwalt den zuständigen Ausschuss (Kreishandwerkerschaft o.Ä.) an. Das Verfahren endet ohne Ergebnis. Es kommt zum Kündigungsschutzprozess, in dem die Parteien in der mündlichen Verhandlung eine Einigung treffen.

Für die außergerichtliche Vertretung erhält der Anwalt eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV. Da die Tätigkeit im Beispiel weder umfangreich noch schwierig war, ist lediglich eine 1,3-Gebühr abzurechnen (Anm. zu Nr. 2300 VV).

Für das Schlichtungsverfahren erhält der Anwalt eine weitere Geschäftsgebühr nach Nr. 2303 Nr. 2 VV in Höhe von 1,5. Auf diese Geschäftsgebühr ist die Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV gem. Vorbem. 2.3 Abs. 6 VV hälftig, also zu 0,65, anzurechnen.

Im anschließenden Kündigungsschutzprozess erhält der Anwalt zunächst einmal eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV. Auf diese Gebühr hälftig anzurechnen ist gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1, 3 VV die Geschäftsgebühr der Nr. 2303 Nr. 2 VV, also mit 0,75 (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV).

Hinzu kommt eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV.

Für den Abschluss der Einigung erhält der Anwalt darüber hinaus nach Nrn. 1000 Nr. 1, 1003 VV eine 1,0-Einigungsgebühr.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 42 Abs. 2 GKG. Dieser Gegenstandswert nach § 42 Abs. 2 GKG gilt nicht nur für das gerichtliche Verfahren (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG), sondern nach § 23 Abs. 1 S. 3 RVG auch für die außergerichtliche Tätigkeit. Auszugehen ist somit von dem Vierteljahreseinkommen in Höhe von (3 x 800,00 EUR =) 2.400,00 EUR.

 
I. Außergerichtliche Vertretung
1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   288,60 EUR
  (Wert: 2.400,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 308,60 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   58,63 EUR
Gesamt   367,23 EUR
II. Schlichtungsverfahren
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2303 Nr. 2 VV   333,00 EUR
  (Wert: 2.400,00 EUR)    
2. gem. Vorbem. 2.3 Abs. 6 VV anzurechnen,   – 144,30 EUR
  0,65 aus 2.400,00 EUR    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 208,70 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   39,65 EUR
Gesamt   248,35 EUR
III. Gerichtliches Verfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   288,60 EUR
  (Wert: 2.400,00 EUR)    
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV anzurechnen,   – 166,50 EUR
  0,75 aus 2.400,00 EUR    
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   266,40 EUR
  (Wert: 2....

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