Rz. 128

Viele der oben anhand der Handlungsanweisung für den Fall der internationalen Nachlassspaltung aufgezählten Maßnahmen lassen sich ebenso gut auch im Fall des internationalen Entscheidungsdissenses einsetzen. Daher erfolgen im Folgenden einige stichwortartige Hinweise:

Strafklauseln für Anfechtung des Testaments (vgl. oben Rdn 122).
Gibt es keine Testamentsform, die in allen betroffenen Staaten anerkannt wird, kann die kumulative Einhaltung mehrerer Testamentsformen helfen (vgl. oben Rdn 65; zum US-Testament siehe unten Rdn 409).
Eine einfache Gestaltung des Testaments hat im Zweifel größere Wahrscheinlichkeit, unter mehreren verschiedenen Rechtsordnungen anerkannt zu werden und vergleichbare Wirkungen zu entfalten, als eine ausführliche, komplexe Gestaltung, die in einer bestimmten Rechtsordnung die Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten ausnutzt (Nacherbfolge, Testamentsvollstreckung, "Behindertentestament"). Möglicherweise gibt es zu den beabsichtigten Verfügungen wirtschaftlich gleichwertige und rechtlich einfacher strukturierte Alternativgestaltungen, die in allen beteiligten Rechtsordnungen gemeinsam anerkannt sind (z.B. Nießbrauchsvermächtnis oder ein Vermächtnis quod superest statt Vor- und Nacherbschaft).
Eine die Beteiligten verwirrende, in der Praxis aber häufig unproblematisch umzusetzende Gestaltung ist die Errichtung sog. changierender gespaltener Verfügungen für die Fälle sich perspektivisch überschneidender Nachlassspaltung. Z.B. wird ein englischer Erblasser, der als Lehrer an einer Fremdsprachenschule in Duisburg arbeitet aus deutscher Sicht wegen seines gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland gem. Art. 21 EuErbVO nach deutschem Recht beerbt. Aus englischer Sicht hingegen dürfte mangels Begründung eines domicile of choice in Deutschland für die Vererbung des beweglichen Vermögens und der in England belegenen Immobilien weiterhin englisches Erbrecht und allenfalls für die in Deutschland belegenen Immobilien deutsches Recht als lex rei sitae gelten (dazu siehe unten Rdn 164). Sieht der Erblasser nun im Testament eine am englischen Recht orientierte Testamentsgestaltung vor "soweit der Nachlass sich nach englischem Recht vererbt" und des Weiteren eine Gestaltung nach den Grundsätzen des BGB "für den Teil des Nachlasses, der sich nach deutschem Recht vererbt" anstatt die Verfügungen auf bestimmte bewegliche bzw. unbewegliche Vermögensteile zu fixieren, so wäre die getroffene Verfügung aus beider Länder Sicht in Bezug auf den gesamten Nachlass wirksam. Soweit sich im wirtschaftlichen Ergebnis zwischen den beiden Verfügungen keine wesentlichen Unterschiede ergeben, braucht er auch nicht zu befürchten, dass die Erben die Differenzen zu einem forum shopping ausnutzen werden.
Der Mandant sollte davor gewarnt werden, ohne Rücksprache mit dem deutschen Berater im Ausland vor Ort ein gesondertes Testament zu errichten. Dessen Anordnungen können in streitträchtigem Widerspruch zu den hier getroffenen Verfügungen stehen; im schlimmsten Fall wird das dort errichtete Testament das vom Berater in Deutschland sorgfältig formulierte Testament in toto aufheben.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge