Rz. 3

Menschen mit Behinderungen können bei Vorliegen der Voraussetzungen diverse staatliche Leistungen in Anspruch nehmen. In Betracht kommen Ansprüche auf

Arbeitslosengeld I (§§ 136 ff. SGB III),
Arbeitslosengeld II (§§ 7 ff. SGB II) und
Sozialgeld (§§ 19 Abs. 1 S. 2, 23 SGB II),
Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff. SGB XII),
Grundsicherung (§§ 41 ff. SGB XII) und
Leistungen auf Basis des Bundesteilhabegesetzes.[2]

Menschen mit behinderten Familienangehörigen oder nahestehenden behinderten Personen haben regelmäßig ein Interesse daran, die wirtschaftliche Stellung des Angehörigen nach ihrem Tod in der Weise abgesichert zu wissen, dass dessen Lebensumstände unter Weiterbezug staatlicher Leistungen über Sozialhilfeniveau gehalten und über das den tatsächlichen Bedarf häufig nicht deckende Mindestmaß der Hilfeleistungen hinaus verbessert werden. Demgegenüber steht das sozialhilferechtliche Nachrangprinzip (§§ 2 ff., 90 Abs. 1 SGB XII, § 1 SGB II), wonach der Hilfeempfänger zunächst gehalten ist, sein Einkommen und das verwertbare Vermögen einzusetzen, ehe staatliche Leistungen in Anspruch genommen werden. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Gestaltung von Behindertentestamenten. Allen Konstruktionen ist dabei gemein, dass einer Verwertbarkeit des Erwerbs von Todes wegen als für den Behinderten einsetzbare finanzielle Mittel dergestalt entgegengewirkt werden soll, dass der Hilfebedürftige zwar in den Genuss des Erbes kommt, zeitgleich aber weiterhin zusätzliche staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen kann.

 

Rz. 4

Wenn ein behindertes Kind als Erbe etwas aus dem Nachlass seiner Eltern erhält, gilt das Nachrangprinzip (§ 2 SGB XII), wonach Sozialleistungen nicht bekommt, wer sich selbst helfen kann oder die erforderliche Hilfe von anderen bekommt (zum Nachrang der Sozialhilfe s. ausf. Rdn 3 und 6 ff.).

 

Rz. 5

Auch das behinderte Kind ist als Leistungsberechtigter demnach zunächst verpflichtet, sein Einkommen und das Vermögen in dem gesetzlich festgelegten Umfang einzusetzen, bevor ein Anspruch auf Leistungen aus der Sozialhilfe besteht.

Hinsichtlich des einzusetzenden Einkommens gelten die Regelungen der §§ 8589 SGB XII und bzgl. des einzusetzenden Vermögens ist die Vorschrift des § 90 SGB XII maßgebend.[3] Danach ist – vor einem Anspruch auf Sozialhilfe – nach § 90 Abs. 1 SGB XII "das gesamte verwertbare Vermögen" einzusetzen. Ausnahmen gelten aber zum sog. Schonvermögen gem. § 90 Abs. 2 SGB XII. Nach § 91 SGB XII kann Sozialhilfe in der Form eines Darlehens gewährt werden, falls der sofortige Verbrauch oder die Verwertung des Vermögens nicht möglich ist oder aber für den Leistungsberechtigten eine Härte darstellen würde.

 

Rz. 6

Die Frage der Abgrenzung zwischen Positionen, die dem Einkommen und solchen, die dem Vermögen zuzurechnen sind, ist im Rahmen der Gestaltung von Behindertentestamenten deshalb relevant, weil dem Sozialleistungsträger der Zugriff auf Positionen, die zum Schonvermögen (§ 90 Abs. 2 SGB XII) zählen, grds. verwehrt ist, während der Hilfeempfänger sein restliches Vermögen und sein Einkommen i.d.R. zum eigenen Lebensunterhalt einsetzen muss. Im Rahmen eines Erwerbs von Todes wegen gilt daher Folgendes: Fällt dem Hilfebedürftigen eine Erbschaft oder ein Vermächtnis an und nimmt er zu diesem Zeitpunkt bereits staatliche Leistungen in Anspruch, rechnet der Erwerb von Todes wegen zu seinem Einkommen und muss grds. verwertet werden. Der Sozialleistungsträger hat allerdings im Rahmen einer geglückten Vermögensnachfolgeplanung wegen §§ 2205, 2211 Abs. 1, 2214 BGB keine Möglichkeit, auf die vorrangige Verwertung der Nachlasssubstanz oder der Erträge bei angeordneter Dauertestamentsvollstreckung zu verweisen. Die Zuwendungen, die der Testamentsvollstrecker dem Behinderten aus der Erbschaft zukommen lässt, sind nach den Anordnungen in der letztwilligen Verfügung so ausgestaltet, dass sie sozialrechtlich unschädlich sind.

 

Rz. 7

Wenn das Kind auf den Pflichtteil verwiesen wird, liegt im Falle der Erfüllung des Pflichtteils einsetzbares Vermögen i.S.d. § 90 Abs. 1 SGB XII vor und der Sozialleistungsträger kann, solange der Pflichtteil noch nicht geltend gemacht und/oder erfüllt wurde, den Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe durch Überleitung des Pflichtteilsanspruchs nach § 93 SGB XII durchsetzen. Dass es sich dabei um einen höchstpersönlichen Anspruch handelt bzw. der Pflichtteilsanspruch nur "beschränkt pfändbar" (§ 852 Abs. 1 ZPO) ist, steht dem nicht entgegen, vgl. § 92 Abs. 1 S. 4 SGB XII. Die Überleitung ist auch möglich, wenn der Berechtigte selbst den Pflichtteil noch gar nicht geltend gemacht hat und soll sogar dann möglich sein, wenn durch Bestehen einer Pflichtteilsstrafklausel damit eine im späteren Erbfall geltende Schlusserbeneinsetzung verliert.[4] Setzen sich daher Ehegatten gegenseitig zu Erben ein, so ist zu beachten, dass dann bereits nach dem ersten Todesfall ein Pflichtteilsanspruch des Kindes entsteht und damit übergeleitet werden kann.

 

Rz. 8

Überleitungsfähig sind in...

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