Rz. 8

Der Anspruch auf Leistung setzt zunächst einen wirksam geschlossenen Versicherungsvertrag voraus. Der Lebensversicherungsvertrag kommt nach den allgemeinen Regeln durch Annahme des vom Antragsteller an die Versicherung gerichteten Antrags zustande, §§ 145 f. BGB. Es gilt aber die Besonderheit, dass der Versicherungskunde sich für die Dauer von sechs Wochen vertraglich verpflichten muss, den Antrag aufrechtzuerhalten. Innerhalb dieser sechs Wochen muss seitens der Versicherung der Versicherungsschein ausgehändigt werden.

 

Rz. 9

Für die Schwebezeit bis zum Zugang des Versicherungsscheins besteht nur ein vorläufiger Versicherungsschutz, der üblicherweise geringer ist als der volle Versicherungsschutz. Dieser beginnt frühestens mit dem im Versicherungsschein angegebenen Datum, spätestens mit der Zahlung des Einlösungsbetrags.

 

Rz. 10

Der Versicherungsschein ist aufgrund der in den ALB festgelegten Inhaberklausel ein Legitimationspapier, das dem Versicherer grundsätzlich die Auszahlung an den Inhaber ohne weitere Prüfung der Bezugsberechtigung erlaubt.[3] Daher ist auf eine sorgfältige und sichere Aufbewahrung des Versicherungsscheins zu achten.

 

Rz. 11

Es kann auch vorkommen, dass zwar die Existenz einer Lebensversicherung anzunehmen ist, z.B. weil der Erblasser darüber glaubhaft berichtet hat, sich im Nachlass aber keine Unterlagen befinden. Ursache kann mangelnder Ordnungssinn des Erblassers oder auch die Entwendung durch Nichtberechtigte sein. Ein erster Ansatzpunkt zur Recherche dürfte die Prüfung alter Kontoauszüge[4] sein, aus denen sich eine regelmäßige Abbuchung von Beiträgen mit Vertragsnummer ergibt. Nicht selten kommt es aber vor, dass ein Bezugsberechtigter nicht Erbe ist und keine Möglichkeit hat, an die Bank- oder Versicherungsunterlagen heranzukommen. Hier ist eine mühsame Recherche bei allen in Betracht kommenden Lebensversicherern[5] zu erwägen. Sofern der Anwalt sich dieser Aufgabe annimmt, sollte hierfür ein gesondertes Honorar vereinbart werden.

 

Rz. 12

Muster 25.2: Muster: Anfrage über das Bestehen einer Lebensversicherung

 

Muster 25.2: Muster: Anfrage über das Bestehen einer Lebensversicherung

Muster: Anfrage über das Bestehen einer Lebensversicherung

An die

_________________________ Lebensversicherung

Anfrage: Bestehen einer Lebensversicherung

Vermutlicher Versicherungsnehmer bzw. versicherte Person:

_________________________, verstorben am _________________________

Ausweislich beigefügter beglaubigter Vollmachtskopie vertrete ich _________________________.

Mein Mandant ist Alleinerbe nach Herrn _________________________, eine Kopie des Erbscheins habe ich beigefügt.

Mein Mandant weiß, dass der Verstorbene eine Lebensversicherung zu seinen Gunsten abgeschlossen hatte, allerdings konnten im Nachlass bislang keine Unterlagen und insbesondere kein Versicherungsschein aufgefunden werden.

Ich bitte daher um Auskunft, ob mit Ihrem Unternehmen ein Lebensversicherungsvertrag besteht, in dem o.g. Person Versicherungsnehmer oder versicherte Person ist.

Sollte dies der Fall sein, bitte ich um Mitteilung des Vertragsinhaltes.

In diesem Fall habe ich Sie namens meines Mandanten gleichzeitig aufzufordern, nicht gegen Vorlage des Versicherungsscheins zu leisten. Nach derzeitigem Kenntnisstand muss davon ausgegangen werden, dass der Versicherungsschein aus dem Nachlass entwendet wurde. Eine Auszahlung an den Nichtberechtigten wäre in Kenntnis dieser Tatsache grob fahrlässig.[6]

(Rechtsanwalt)

[3] Vgl. § 8 Abs. 2 ALB 2021: "Den Inhaber der Urkunde können wir als berechtigt ansehen, über die Rechte aus dem Vertrag zu verfügen, insbesondere Leistungen in Empfang zu nehmen. Wir können aber verlangen, dass uns der Inhaber der Urkunde seine Berechtigung nachweist."
[4] Banken können (gegen Gebühr) bis zu zehn Jahre rückwirkend Umsatzübersichten liefern.
[5] Eine aktuelle Liste der in Deutschland zugelassenen Lebensversicherungsunternehmen ist auf der Homepage des Bundesaufsichtsamtes für Finanzdienstleistungen abrufbar (www.bafin.de).
[6] Der letzte Satz spielt darauf an, dass die Lebensversicherung zwar grundsätzlich nach § 8 Abs. 2 ALB 2021 an den Vorleger des Versicherungsscheins leisten darf. Dies gilt aber nicht, wenn sie dies in grob fahrlässiger Unkenntnis der mangelnden materiellen Berechtigung tut, vgl. Prölss/Martin, § 8 ALB 2021 Rn 5 Eine unterschwellige Drohung mit Schadensersatzansprüchen bietet zugleich die Gewähr einer zügigen Sachbearbeitung.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge