1. Tatidentität von Verkehrsstraftaten

 

Rz. 31

In Strafsachen wird die eine erneute Verurteilung hindernde Tatidentität oft deshalb nicht gesehen, weil Tatmehrheit zwischen den einzelnen Taten besteht, es für die Frage der Sperrwirkung aber alleine auf den Tatbegriff des § 264 StPO ankommt. Dabei reicht der Umfang der Sperrwirkung für eine erneute Verurteilung so weit, wie Tatidentität gegeben ist (OLG Frankfurt VRS 68, 465; OLG Düsseldorf NZV 2002, 521; LG Frankfurt DAR 2003, 41; BGH bei Ernemann, DAR 2012, 680).

So besteht z.B. zwischen Unfallflucht und dem Überlassen des Fahrzeuges seitens des mitfahrenden Halters an einen Fahrer ohne Fahrerlaubnis ebenso Tatidentität i.S.d. § 264 StPO (OLG Karlsruhe DAR 1996, 417) wie im Falle der Trunkenheitsfahrt mit anschließender Flucht (BGH NStZ 1983, 87; OLG Hamm StV 1984, 15) oder einer sich unmittelbar an die Trunkenheitsfahrt anschließenden vorsätzlichen Körperverletzung (OLG Düsseldorf NZV 2002, 521; LG Frankfurt DAR 2003, 41).

Die zutreffende Anwendung des Tatbegriffs kann sogar dazu führen, dass die Verurteilung wegen (des bei der Flucht begangenen) Fahrens ohne Fahrerlaubnis die erneute Aburteilung des zuvor begangenen Bankraubs sperrt (BGH bei Tolksdorf, DAR 1996, 175). Der Begriff der Tat ist auch hier im verfahrensrechtlichen Sinn des § 264 StPO zu verstehen (BGH NStZ 1983, 87; OLG Hamm StV 1984, 15; BGH bei Tepperwin, DAR 2009, 251).

Tatidentität besteht auch zwischen dem Fahren ohne Fahrerlaubnis und den dabei begangenen Verkehrsverstößen wie z.B. fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung (BGH VM 55, 21; BGH DAR 2000, 574), einer Unfallflucht und den dabei begangenen Taten (BGHSt 22, 67), wie auch dem Diebstahl des gefahrenen Kraftfahrzeugs (BGH VRS 46, 105; siehe aber für eine etwas anders gelagerte Konstellation BGH DAR 2000, 574 und BGH bei Paul, DAR 2018, 662). Auch zwischen dem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz und den bei den Fahrten begangenen Straßenverkehrsgefährdungen besteht Tatidentität (BGH bei Cierniak, DAR 2013, 677).

 

Tipp

Weitere Beispiele siehe oben, Rdn 4 ff.

 

Rz. 32

Schwierige Fragen stellen sich in diesem Zusammenhang dann, wenn der Besitz von Drogen und Verkehrsdelikte zusammenfallen.

Zwar kann das Verbot der Doppelbestrafung einer erneuten Aburteilung selbst schwererer Straftaten, wie z.B. Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach rechtskräftiger Aburteilung der mit ihr in innerem Zusammenhang stehenden Drogen-Ordnungswidrigkeit ebenso entgegenstehen wie nach der Aburteilung eines mit ihr in innerem Zusammenhang stehenden Fahrens ohne Fahrerlaubnis (OLG Hamm DAR 2017, 393) oder einer Unfallflucht (BGH NZV 2018, 145; BGH bei Ernemann, DAR 2012, 680; NZV 2012, 250; BGH NZV 2017, 278; BGH DAR 2018, 661), der bloße Besitz von Drogen reicht hierfür aber nicht aus (BGH NZV 2005, 52; KG NZV 2011, 305; OLG Köln, Beschl. v. 28.6.2016 - 1 RBs 181/16, juris).

 

Rz. 33

Begeht der Täter im Verlauf einer einzigen ununterbrochenen Fluchtfahrt mehrere Gefährdungen und wiederholte Unfallfluchten gem. § 142 StGB, stehen diese ebenso in Tateinheit zueinander (BGH NZV 2001, 265) wie alle anderen Gesetzesverletzungen, die er im Verlauf einer Fluchtfahrt begeht (BGH zfs 2003, 316). Allerdings sollen mehrere auf derselben Fahrt begangene Verstöße dann mehrere Taten i.S.d. § 264 StPO darstellen, wenn sie verschiedenen Verkehrsvorgängen zugeordnet werden müssen (OLG München NZV 2005, 544).

2. Einstellung nach § 153 Abs. 2 oder § 153a StPO

 

Rz. 34

Auch die Verfahrenseinstellung durch das Gericht gem. § 153 Abs. 2 oder § 153a StPO hat strafklageverbrauchende Wirkung, soweit sich die Tat nicht nachträglich als Verbrechen herausstellt (BGH NJW 2004, 375; BGHSt 48, 331; LG Berlin VRS 2007, 116). Wird z.B. die Unfallflucht gem. § 153a StPO eingestellt, entsteht für die gleichzeitig begangene Trunkenheitsfahrt ebenso ein Verfahrenshindernis (KG StraFo 2017, 19) wie im Falle der Einstellung der im Zusammenhang mit einer Trunkenheitsfahrt begangenen Widerstandshandlung nach § 113 StGB oder einer Körperverletzung (OLG Köln VRR 2013, 72).

3. Rechtskräftiger Strafbefehl

 

Rz. 35

Der Strafbefehl steht insoweit einem Urteil gleich (BGH DAR 2013, 390). Deshalb hat z.B. der gegen den Täter ergangene rechtskräftige Strafbefehl wegen fahrlässiger Körperverletzung auch dann strafklageverbrauchende Wirkung, wenn das Opfer später an seinen Verletzungen verstirbt (BVerfG NJW 1984, 604).

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