1. Zweiter Bußgeldbescheid wegen des gleichen Sachverhalts

 

Rz. 24

Wird nach Erlass eines Bußgeldbescheids ein zweiter Bescheid erlassen, der ganz offensichtlich denselben Sachverhalt betrifft, ist der zweite Bußgeldbescheid nichtig (OLG Zweibrücken zfs 1993, 103; OLG Saarbrücken zfs 1992, 141).

Kann dagegen die Tatsache, dass es sich um die identische Tat im Rechtssinne handelt, erst bei näherem Hinsehen erkannt werden, ist der Bußgeldbescheid nicht nichtig, sondern lediglich unwirksam und er wird, wenn kein Einspruch eingelegt wird, vollstreckungsfähig.

2. Wirksame Verwarnung

 

Rz. 25

Ist die Verwarnung von dem Betroffenen angenommen worden, entsteht für ein weiteres Bußgeldverfahren das Verfahrenshindernis des § 56 Abs. 4 OWiG, so dass die Tat unter bußgeldrechtlichen Gesichtspunkten nicht mehr verfolgt werden kann.

Nach zutreffender Auffassung (OVG München DAR 2011, 427) tritt mit der Annahme der Verwarnung ein Verfahrenshindernis für die gesamte Tat i.S.d. § 264 StPO ein, also auch für eine gleichzeitig mitbegangene Straftat (OVG München DAR 2011, 427); im Gegensatz zur vom OLG Düsseldorf (NJW 1991, 241) vertretenen Auffassung gilt das Verfahrenshindernis nicht nur soweit der Betroffene annehmen durfte, mit der Verwarnung solle das gesamte Tatgeschehen erfasst werden.

Eine Verwarnung ist allerdings nur dann wirksam, wenn das Verwarnungsgeld rechtzeitig, am richtigen Ort und mit dem zutreffenden Behördenaktenzeichen geleistet wurde (OLG Köln VRS 54, 135; AG Dortmund DAR 2017, 478), wobei bei einer Banküberweisung der Betroffene das Risiko des rechtzeitigen Eingangs trägt (AG Saalfeld NZV 2006, 49). Eine lediglich unter Vorbehalt geleistete Zahlung stellt das gem. § 56 Abs. 2 S. 1 OWiG erforderliche Einverständnis indessen nicht in Frage (OVG München DAR 2011, 427).

3. Rechtskräftiger Bußgeldbescheid

 

Rz. 26

Gemäß § 84 Abs. 1 OWiG sperrt sowohl die Rechtskraft des Bußgeldbescheids als auch die rechtskräftige richterliche Entscheidung über die Tat als Ordnungswidrigkeit oder als Straftat eine nochmalige Verurteilung der Tat wegen einer Ordnungswidrigkeit.

Der Tatbegriff i.S.d. § 264 StPO erfasst dabei das gesamte Verhalten des Betroffenen, soweit es mit dem durch den Bußgeldbescheid bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Lebensauffassung einen einheitlichen Vorgang bildet - ohne Rücksicht darauf, ob bei einer rechtlichen Beurteilung neben der im Bußgeldbescheid bezeichneten Handlung noch eine oder mehrere weitere Taten im materiellen Sinne vorliegen (OLG Düsseldorf NZV 2002, 521; OLG Frankfurt DAR 2003, 41).

 

Rz. 27

So hindert ein rechtskräftiger Bußgeldbescheid oder das rechtskräftige Urteil die erneute Verurteilung wegen sämtlicher mit dieser Tat zusammenhängender weiterer Ordnungswidrigkeiten, wie z.B. die Ahndung einer Alkoholfahrt nach § 24a StVG nach der Verurteilung eines während dieser Fahrt begangenen Handyverstoßes (OLG Saarbrücken VRS 110, 362; OLG Jena NStZ-RR 2006, 319) oder der auf der gleichen Fahrt begangenen weiteren Ordnungswidrigkeit nach Aburteilung des dabei begangenen Verstoßes gegen die Gurtanlegepflicht (OLG Hamm DAR 2006, 338; OLG Rostock VRS 107, 461) oder eines kurz vor dem abgeurteilten Rotlichtverstoß begangenen Verstoßes gegen das Überholverbot (OLG Celle DAR 2011, 407) oder des kurz vor der abgeurteilten Geschwindigkeitsüberschreitung begangenen weiteren Verstoßes (OLG Celle, NZV 2012, 196).

4. Bußgeldurteil

 

Rz. 28

 

Hinweis

Bekanntlich muss der Bußgeldrichter gem. § 84 Abs. 1 OWiG die ihm unterbreitete Sache unter allen rechtlichen Gesichtspunkten beurteilen mit der Folge, dass bei Verdacht auf eine Straftat die Sache in ein Strafverfahren übergeleitet werden muss (siehe hierzu § 30 Rdn 44 ff.).

Nicht zuletzt auch deshalb bestimmt § 84 Abs. 2 OWiG, dass ein rechtskräftiges Bußgeldurteil der erneuten Verurteilung der Tat, auch soweit es sich um eine Straftat handelt, entgegensteht.

Dabei kommt es alleine darauf an, ob es sich um eine Tat im verfahrensrechtlichen Sinne (siehe oben Rdn 22 ff.) handelt.

 

Rz. 29

Hier kann die Übung mancher Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften, die Ordnungswidrigkeit und die Straftat in getrennten Verfahren zu verfolgen, gravierende Folgen haben, wie an dem folgenden Beispiel gezeigt werden soll:

 

Beispiel

Ein Mandant verunfallt nach dem Besuch eines Weinfestes. Die unfallaufnehmenden Polizeibeamten stellen nicht nur 1,5 ‰ beim Fahrer fest, sondern auch Mängel an allen vier Reifen des benutzten Fahrzeugs. Sie geben dann die Strafsache an die Staatsanwaltschaft und die OWi-Sache an die zuständige Bußgeldbehörde ab. Nach Rechtskraft des Bußgeldurteils beantragt der Verteidiger die Aufhebung des § 111a StPO-Beschlusses sowie die Einstellung des Verfahrens. Das stößt selbst nach der entsprechenden gerichtlichen Entscheidung bei der Staatsanwaltschaft auf völliges Unverständnis.

Vergleichbare Konstellationen können z.B. auch dann entstehen, wenn nach einer Geschwindigkeitsmessung der Anhalteposten feststellt, dass der Fahrer alkoholisiert ist oder eine Straftat zunächst nicht bekannt ist, so z.B. sich nach einer Vorfahrtsverletzung erst später herausstellt, dass der Unfallverursacher keine ...

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