Rz. 18

Die Vertreter der objektiven Theorie fragen ausschließlich nach dem objektiv ermittelten Interesse des Mandanten.[31] Es kommt danach nicht darauf an, ob im Augenblick ein Widerstreit besteht, sondern vielmehr darauf, ob es für den kundigen Beurteiler absehbar ist, dass ein derartiger Interessenwiderstreit auftreten könnte. Dabei sind sämtliche Entwicklungsmöglichkeiten sowohl in rechtlicher als auch persönlicher Hinsicht beim Auftraggeber in Betracht zu ziehen. Unerheblich ist es auch, ob der Mandant von der Möglichkeit des Interessenwiderstreits Kenntnis hat und er möglicherweise das Mandat des Rechtsanwalts insoweit ausdrücklich einschränkt. Mit anderen Worten: Ist es grundsätzlich möglich, dass es künftig innerhalb des vorliegenden Lebenssachverhaltes zu einem Interessengegensatz der Auftraggeber kommen kann? Dabei ist es auch hier nicht maßgebend, ob der Gegensatz zeitlich parallel oder nacheinander auftritt. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob die rechtlichen oder wirtschaftlichen Interessen des Mandanten verletzt werden.[32]

Der Rechtsanwalt, der als kundiger Berater über das überlegene Wissen möglicher künftiger Konflikte im Rahmen des ihm angetragenen Mandats verfügt, muss den Mandanten vor einer möglichen Entwicklung des Mandats schützen, die zu einer Niederlegung der Mandate sämtlicher Mandanten führen muss (hierzu Rdn 23). Der Rechtsanwalt hat den möglichen Interessengegensatz zu antizipieren – nicht der Mandant.

[31] Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 23.4.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11, Rn 10 m.w.N. in Rn 12, juris.
[32] BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24.5.2001 – 2 BvR 1373/00, Rn 4, juris; BGH, Urt. v. 2.12.1954 – 4 StR 500/54, BGHSt 7, 17, Rn 15, juris; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Urt. v. 26.7.1989 – RReg 3 St 50/89, juris Rn 7 m.w.N.; vgl. zu dieser Entscheidung auch unten Rdn 40.

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