Rz. 131

Bei einer Mehrheit von Erben wird ein zum Nachlass gehörendes Einzelunternehmen gemeinschaftliches Vermögen der Erbengemeinschaft (§§ 2032 ff. BGB). Die Fortführung des Einzelunternehmens durch eine Erbengemeinschaft ist rechtlich ohne zeitliche Begrenzung zulässig. Eine zwangsweise Umwandlung der Erbengemeinschaft in eine OHG erfolgt nicht. Das Recht der OHG (§§ 105 ff. HGB) findet aber (zumindest im Innenverhältnis) entsprechende Anwendung.[114]

 

Rz. 132

Allerdings erscheint eine Erbengemeinschaft gleichwohl nicht zur Fortführung eines Einzelunternehmens geeignet. Eine Erbengemeinschaft wird grundsätzlich durch sämtliche Miterben gemeinsam vertreten (§§ 2038 ff. BGB), was für die Führung eines Handelsunternehmens wenig praktikabel erscheint. Demgegenüber ist bei einer OHG grundsätzlich jeder Gesellschafter einzeln zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt (§ 125 HGB). Die Erbengemeinschaft ist zudem auf Antrag eines Miterben jederzeit auseinanderzusetzen und damit nicht auf den dauerhaften Fortbestand eines Unternehmens angelegt.

 

Rz. 133

Eine Erbengemeinschaft kann ein Einzelunternehmen grundsätzlich auch dann in ungeteilter Erbengemeinschaft fortführen, wenn einer oder mehrere der Miterben noch minderjährig sind. Eine Genehmigung des Familiengerichts ist dazu nicht erforderlich. Dem minderjährigen Miterben steht allerdings bei Erreichen der Volljährigkeit ein außerordentliches Kündigungsrecht zu, mit dem er seine Mitgliedschaft in der Gesellschaft endgültig beenden kann (ab 1.1.2024: § 725 BGB n.F., zuvor: § 723 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BGB a.F.). Das Kündigungsrecht kann nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden (ab 1.1.2024: § 725 Abs. 6 BGB n.F., zuvor: § 723 Abs. 3 BGB a.F.). Die Kündigung und der damit verbundene Abfindungsanspruch können die Liquidität des Unternehmens erheblich belasten. Hat der Minderjährige seine Mitgliedschaft nicht innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Volljährigkeit gekündigt, wird vermutet, dass etwaige Verbindlichkeiten aus der Mitgliedschaft erst nach dem Eintritt der Volljährigkeit entstanden sind und keiner Haftungsbeschränkung unterliegen (§ 1629a Abs. 4 BGB). Der minderjährige Miterbe kann seine Haftung dann nicht mehr auf das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen beschränken (§ 1629a Abs. 1 BGB).[115]

 

Rz. 134

Die Erbengemeinschaft kann das Unternehmen in eine andere Rechtsform (z.B. OHG, KG oder GmbH) umwandeln.[116] Eine Umwandlung nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes ist dabei allerdings nicht möglich, da die Erbengemeinschaft nicht zu den umwandlungsfähigen Rechtsträgern gehört (§ 3 UmwG). Im Regelfall werden die Aktiva und Passiva des Einzelunternehmens vielmehr im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf den neuen Rechtsträger übertragen. Ist ein Mitglied der Erbengemeinschaft minderjährig, bedarf die Übertragung der Wirtschaftsgüter der Genehmigung des Familiengerichts (§§ 1848 ff., 1852 BGB und 1643 BGB n.F.).[117] Falls einer der gesetzlichen Vertreter selbst Mitglied der Erbengemeinschaft ist, muss zusätzlich ein Ergänzungspfleger bestellt werden (§ 1824 BGB n.F.).

[114] Im Einzelnen ist dies umstritten. Siehe dazu Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boujong, HGB, § 105 Rn 104; Hopt, HGB, § 105 Rn 7; Grüneberg/Weidlich, § 2032 Rn 7.
[115] Ausf. dazu Behnke, NJW 1998, 3078; Behnke, NZG 1999, 244; Dauner-Lieb, ZIP 1996, 1818; Habersack, FamRZ 1999, 1; Klumpp, ZEV 1998, 409; Muscheler, WM 1998, 2271; Reimann, DNotZ 1999, 179.
[116] Zur Erbengemeinschaft im Steuerrecht siehe BFH, Urt. v. 19.1.2023 – IV R 5/19, DB 2023, 1062 = DStR 2023, 626 = BB 2023, 801 = NJW 2023, 1460 = DStRK 2023, 121 m. Anm. Steinhauff (Keine Identität zwischen einer Erbengemeinschaft und einer aus den Miterben gebildeten GbR und keine Möglichkeit eines identitätswahrenden Formwechsels einer Erbengemeinschaft in eine GbR nach dem UmwG).
[117] Am 1.1.2023 ist das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrecht (BGBl I 2021, 882) in Kraft getreten. Dabei wurden u.a. auch die Vorschriften über die Genehmigungsbedürftigkeit von Rechtsgeschäften von Minderjährigen geändert (siehe §§ 1848 ff. BGB n.F.). Ausf. dazu u.a. Beckervordersandfort/Steinbrink, ZErb 2022, 87; Bock, notar 2022, 351; Eble, RNotZ 2021, 117; Felix, Rpfleger 2022, 541 (Teil 1) und Rpfleger 2023, 6 (Teil 2); Heuser, NWB-EV 2021, 308, 335; Lamberz, NJW 2023, 249; Staake/Weinmann, RFamU 2022, 493; Stenert/Gravenhorst, GmbHR 2022, 1232; Werner, ZEV 2021, 618.

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