Rz. 174

Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit ist nicht anfechtbar und kann auch nicht auf anderem Wege in der 2. Instanz korrigiert werden. Der Schuldner kann folglich zum Schutz vor der Vollstreckung nur beantragen, die Einstellung der Vollstreckung anzuordnen.

 

Rz. 175

 

Praxistipp:

Dieser Antrag muss bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden[165] bzw. bis zu dem Zeitpunkt, der gem. § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht.[166] Zur Frage, ob der Antrag auch erstmalig in der 2. Instanz gestellt werden kann.
Der Antrag ist eine Verfahrenshandlung, die gem. § 114 Abs. 1 dem Anwaltszwang unterliegt.[167]
[165] Prütting/Helms, 5. Aufl., 2020, § 120 FamFG Rn 10; Keidel/Weber, 20. Aufl., § 120 FamFG Rn 14, Rake, FPR 2013, 159, 161.
[166] Keidel/Weber, 20. Aufl., § 120 FamFG Rn 14.
[167] Haußleiter/Eickelmann, FamFG, 2017, § 120 Rn 17.

aa) Voraussetzung: – ein nicht zu ersetzender Nachteil durch die Vollstreckung

 

Rz. 176

Nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG kann das Gericht auf Antrag des Verpflichteten die Vollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft in der Endentscheidung einstellen oder beschränken, wenn dieser glaubhaft macht, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.

 

Rz. 177

Voraussetzung für einen erfolgreichen Einstellungsantrag ist also ein durch die Vollstreckung drohender nicht zu ersetzender Nachteil.

Die Anforderungen sind noch nicht abschließend geklärt und in Rechtsprechung und Literatur streitig.[168]

 

Rz. 178

Die Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels wird zur Feststellung des nicht zu ersetzenden Nachteils grundsätzlich nicht geprüft, da es für den nicht zu ersetzenden Nachteil nicht auf den Ausgang des Rechtsmittelverfahrens ankommt, sondern auf die wirtschaftliche Situation des Verpflichteten. Sofern allerdings feststeht, dass ein Rechtsmittel keine Erfolgsaussicht hat, wird angenommen, dass bei der Vollstreckung auch kein nicht zu ersetzender Nachteil für den Verpflichteten eintritt.[169]

 

Rz. 179

Bei den übrigen Überlegungen zum nicht zu ersetzenden Nachteil kann zwischen der Vollstreckung von laufendem Unterhalt und Unterhaltsrückständen unterschieden werden.

[168] Giers, FamRB 2015, 29, 30.
[169] Schulte-Bunert, FuR 2013, 146, 147 m.w.N.

(1) Vollstreckung von laufendem Unterhalt

 

Rz. 180

1. Nach einer strengeren Auffassung reicht es bei einer Vollstreckung von laufendem Unterhalt nach der Systematik der §§ 116 Abs. 3 Satz 3, 120 Abs. 2 FamFG nicht aus, dass überzahlte Unterhaltsbeträge verbraucht und nicht zurückgefordert werden können.[170]
2. Nach anderer Ansicht liegt ein nicht zu ersetzender Nachteil bereits dann vor, wenn ein nicht mehr rückgängig zu machender Schaden eintritt, weil im Fall einer Überzahlung die nicht geschuldeten, aber beigetriebenen Beträge wegen Vermögenslosigkeit des Gläubigers (endgültig) nicht zurückverlangt werden können. Dann kann die Einstellung der Zwangsvollstreckung angeordnet werden, wenn der Gläubiger im Fall der Aufhebung oder Abänderung des Vollstreckungstitels voraussichtlich wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage sein wird, den beigetriebenen Geldbetrag zurückzuzahlen.[171] Dabei werden allerdings auch die zukünftigen Erwerbsmöglichkeiten des Gläubigers berücksichtigt.[172]

Unterschiedliche Anforderungen werden an die Darlegung der Voraussetzungen gestellt.[173]

Einerseits wird eine eingehend begründete Glaubhaftmachung verlangt.[174]
Eine andere Ansicht lässt den unstreitigen Vortrag der Beteiligten ausreichen.[175]
[170] OLG Brandenburg, Beschl. v. 14.12.2015 – 10 UFH 8/15, FamRZ 2016, 1961; OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.2.2015 – 13 UF 250/14; OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.12.2013 – 13 UF 225/13, FF 2014, 88 = FamRZ 2014, 866; OLG Hamburg v. 26.4.2012 – 2 UF 48/12, FamRB 2012, 279; OLG Hamm v. 7.9.2010 – II-11 UF 155/10, FamRZ 2011, 589; OLG Hamm v. 30.9.2011 – II-10 UF 196/11, FamRZ 2012, 730; v. 16.4.2013 – 3 UF 9/13, juris; OLG Brandenburg v. 20.12.2013 – 13 UF 225/13, FamRZ 2014, 866 = FamRB 2014, 261 den laufenden Unterhalt betreffend; Keidel/Weber, 20. Aufl., § 120 FamFG Rn 17; Bork/Jacoby/Schwab/Löhnig, 2. Aufl., § 120 FamFG Rn 7.1; Schulte-Bunert/Weinreich, 5. Aufl., § 120 FamFG Rn 4b, Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 2019, § 120 Rn 5.
[171] OLG Düsseldorf v. 28.1.2013 – II-7 UF 230/12, FamRZ 2014, 870; OLG Frankfurt v. 12.3.2010 – 2 UF 362/09, FamRZ 2010, 1370; OLG Bremen v. 21.9.2010 – 4 UF 94/10, FamRZ 2011, 322 = FamRB 2011, 48; OLG Hamm FamRZ 2011, 1317OLG Hamm v. 1.3.2011 – II-8 UF 40/11, FamRZ 2011, 1678; OLG Hamm v. 2.2.2011 – II-8 UF 15/11, FamRZ 2011, 1317; v. 1.3.2011 – II-8 UF 40/11, FamRZ 2011, 1678; OLG Rostock v. 7.3.2011 – 10 UF 219/10, FamRZ 2011, 1679; OLG Stuttgart v. 2.10.2013 – 18 UF 201/13, FamRZ 2014, 868; Prütting/Helms, 3. Aufl., § 120 FamFG Rn 7; Thomas/Putzo/Seiler, 35. Aufl., § 120 FamFG Rn 6; Horndasch/Viefhues/Roßmann, 3. Aufl., § 120 FamFG Rn 12; Kemper/Schreiber, Familienverfahrensrecht, 2. Aufl., § 120 FamFG Rn 9; BeckOK-FamFG/Nickel § 120 Rn 10d; Ehinger/Griesche/Rasch, Handbuch Unterhaltsrecht, 7. Aufl., Rn M 13; Giers in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes...

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