Leitsatz (amtlich)

Die Systematik der §§ 116 III 3, 120 II FamFG verbietet es, den unwiederbringlichen Verlust einer Unterhaltszahlung, die innerhalb des Zeitraums geleistet wird, für den sie geschuldet wird, als einen nicht zu ersetzenden Nachteil zu beurteilen.

Für die Einstellung der Vollstreckung von Unterhaltsrückständen reicht die Darlegung des endgültigen Verlustes an den nach Verbrauch zur Rückerstattung unfähigen Gläubiger aus, um einen nicht zu ersetzenden Nachteil geltend zu machen.

 

Verfahrensgang

AG Nauen (Aktenzeichen 20 F 101/14)

 

Tenor

Die Vollstreckung aus dem Beschluss des AG Nauen vom 11.11.2014 wird eingestellt, soweit der Antragsgegner verpflichtet worden ist, an die Antragstellerin zu 1 monatlich jeweils zum Ersten eines jeden Monats Unterhalt in Höhe des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzgl. des anrechenfähigen staatlichen Kindergeldes zu zahlen, und sich ein Vollstreckungsantrag auf Forderungen bezieht, die früher als am letzten Fälligkeitstermin vor der Antragstellung fällig geworden sind, rückständigen Unterhalt i.H.v. 3.029 EUR nebst Zinsen zu zahlen, an den Antragsteller zu 2 monatlich jeweils zum Ersten eines jeden Monats Unterhalt in Höhe des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzgl. des anrechenfähigen staatlichen Kindergeldes zu zahlen, und sich ein Vollstreckungsantrag auf Forderungen bezieht, die früher als am letzten Fälligkeitstermin vor der Antragstellung fällig geworden sind, rückständigen Unterhalt i.H.v. 3.264 EUR nebst Zinsen zu zahlen,

Im Übrigen wird der Antrag des Antragsgegners, die Vollstreckung aus dem Beschluss des AG Nauen vom 11.11.2014 einzustellen, abgelehnt.

 

Gründe

I.1. Die Antragsteller haben den Antragsgegner auf rückständigen und laufenden Kindesunterhalt in Anspruch genommen. Das AG hat den Antragsgegner mit dem Beschluss vom 11.11.2014 verpflichtet, ab September 2014 monatlich den Mindestunterhalt an die Antragsteller zu zahlen. Es hat den Antragsgegner außerdem verpflichtet, rückständigen Unterhalt für die Zeit von September 2013 bis August 2014 i.H.v. 3.029 EUR und 3.264 EUR nebst Zinsen zu zahlen, und es hat die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung angeordnet.

Der Antragsgegner hat Beschwerde erhoben und beantragt, den Beschluss des AG aufzuheben und die Anträge der Antragsteller zurückzuweisen.

2. Er beantragt außerdem, die Vollstreckung aus dem angefochtenen Beschluss einzustellen. Der Antragsgegner meint, er sei zu Unrecht zur Unterhaltszahlung verpflichtet worden. Durch die begonnene Vollstreckung drohe ihm ein irreparabler, existenzieller Schaden. Er berechnet seine monatlichen Kosten und behauptet eine monatliche Unterdeckung von 234,35 EUR.

Die Antragsteller beantragen, den Antrag zurückzuweisen. Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss und heben hervor, sie seien außerstande, sich selbst zu unterhalten. Bei dem Antragsgegner gepfändete Beträge müssten sie deshalb für den sofortigen Verbrauch verwenden. Gerade dazu diene die sofortige Vollstreckbarkeit des Unterhaltstitels.

Wegen des weiteren Vortrages der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und die Anlagen verwiesen.

II. Der Antrag ist nur teilweise begründet. Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen, soweit sie sich auf Unterhaltsrückstände richtet. Die Vollstreckung von Unterhaltsrückständen brächte dem Antragsgegner einen nicht zu ersetzenden Nachteil (§ 120 II 3, 2 FamFG). Einen Nachteil, der aus der Vollstreckung von Unterhaltsforderungen folgen könnte, die für den Zeitraum geschuldet werden, in dem vollstreckt wird, hat der Antragsgegner hingegen hinzunehmen.

1. Der Entscheidungsmaßstab und die Rechtsfolgen einer Einstellungsentscheidung nach angeordneter sofortiger Wirksamkeit (§ 116 III 3 FamFG) und damit Vollstreckbarkeit (§ 120 II 1 FamFG) einer angefochtenen Entscheidung, die zur Unterhaltszahlung verpflichtet, sind allein dem Satz 3 und - durch den dort geregelten Verweis - dem Satz 2 des § 120 II FamFG zu entnehmen. Diese Regelung enthält spezielle Anordnungen, die dem Generalverweis auf das Vollstreckungsrecht der Zivilprozessordnung (§ 120 I FamFG) vorgehen (Schulte-Bunert, FamFG, 4. Aufl. 2014, § 120 Rz. 4). Es findet sich im § 120 II 3 FamFG kein Anhaltspunkt für die Annahme, der Verweis solle für den Tatbestand, nicht aber für die Rechtsfolgen des Schuldnerschutzes gelten (so aber Keidel-Weber, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 120 Rz. 18).

a) Wird eine für sofort wirksam erklärte Endentscheidung angefochten, so kann die sofortige Wirksamkeit und die aus ihr folgende sofortige Vollstreckbarkeit beseitigt werden. Diesen Schuldnerschutz sehen die §§ 120 I FamFG, 719 I 1, 707 I ZPO generell vor. Die spezielle Regelung des § 120 II 3 FamFG richtet sich auf die möglichen Anordnungen zum Schutz des Schuldners: nicht die Anordnung einer Sicherheitsleistung oder die Einstellung gegen oder ohne Sicherheitsleistung sollen möglich sein, sondern allein die Einstellung oder Beschränkung - also ohne Sicherheitsleistung. Das Beschwerdegericht kann damit die schuldnerschütze...

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