a) Einseitige Unterhaltstitel

 

Rz. 351

Eine vollstreckbare Urkunde kann auch einseitig durch den Unterhaltsschuldner errichtet werden.

Die sog. Jugendamtsurkunde über den Unterhalt minderjähriger Kinder kann gem. § 87e SGB VIII vor jedem Jugendamt in der Bundesrepublik Deutschland erstellt werden. Ausfertigungen werden aber nur von demjenigen Jugendamt erstellt, welches die Originalurkunde verwahrt (§§ 1 Abs. 2, 48 BeurkG). Die Erstellung verursacht für den Unterhaltsschuldner keine Kosten (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X).

 

Rz. 352

OLG Rostock, Beschl. v. 10.11.2016 – 10 UF 56/16[406]

Zitat

Die wirksame Abänderung eines Unterhaltstitels in Form einer Jugendamtsurkunde geschieht nicht im Wege der Erstellung einer neuen solchen Urkunde, sondern ist nur im Rahmen eines gerichtlichen Abänderungsverfahrens möglich; bei einer dennoch erstellten "Abänderungsurkunde" handelt es sich aber zumindest um einen für sich genommen ebenfalls vollstreckbaren Titel.

 

Rz. 353

Daneben sind die Notare gem. § 54 Abs. 4 BeurkG für die Beurkundung entsprechender einseitiger Verpflichtungserklärungen des Unterhaltschuldners zuständig. Auch deren Tätigkeit ist – soweit Minderjährigenunterhalt betroffen ist – gem. § 3 Abs. 2 GNotKG i.Vm. Anlage 1 KV, Vorbemerkung 2, Abs. 3 kostenfrei.[407] In der Kostenfreiheit ist kein nach Art. 12 GG unzulässiger Eingriff in die Berufsfreiheit der Notare zu sehen.[408]

 

Rz. 354

Schließlich sind gem. § 62 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BeurkG auch die Amtsgerichte zur Beurkundung derartiger Verpflichtungserklärungen zuständig.[409] Gem. § 3 Nr. 1f RPflG liegt die funktionelle Zuständigkeit beim Rechtspfleger. Gem. § 3 Abs. 2 GNotKG i.V.m. Anlage 1 KV, Vorbemerkung 1 Abs. 2, Vorbemerkung 2, Abs. 3 ist die Beurkundung auch hier kostenlos.

 

Rz. 355

Bei einseitig erstellten Titeln – also eine Verpflichtungserklärung über Kindesunterhalt vor dem Jugendamt oder einer vom Notar beurkundeten Verpflichtungserklärung – stellt sich in der anwaltlichen Praxis die Frage der Abänderung unter zwei Aspekten:

Wer ist an die titulierte Verpflichtung inhaltlich gebunden?
Auf welchem Wege kann eine Abänderung erreicht werden?
[407] Osthold, FuR 2017, 230.
[409] Osthold, FuR 2017, 230.

b) Vorbereitung eines gerichtlichen Abänderungsverfahrens des Unterhaltsschuldners

 

Rz. 356

Will der Unterhaltsschuldner den bereits titulierten Unterhaltsanspruch herabsetzen, so hat er den Gläubiger zunächst außergerichtlich zu einem (Teil-) Vollstreckungsverzicht auf die Rechte aus dem Titel aufzufordern.[410]

 

Rz. 357

 

Praxistipp:

Dazu muss er sein Verlangen auf Herabsetzung dabei schlüssig und substantiiert unter Vorlage von entsprechenden Nachweisen vorzutragen und mit einer angemessen langen Frist zur Prüfung durch den Gläubiger zu verbinden.[411]
Zur Begründung der eingetretenen Veränderung gehört auch die Darlegung der Verhältnisse bei Errichtung des Titels.[412]
Die bloße (Teil-)Verzichtserklärung des Gläubigers reicht aber noch nicht aus, um das Rechtsschutzbedürfnis für einen Abänderungsantrag zu beseitigen, vielmehr muss er grundsätzlich auch den alten Titel herausgeben.[413]
 

Rz. 358

Probleme ergeben sich, wenn der Titel noch zur Vollstreckung von rückständigem Unterhalt benötigt wird.

Nach einer Ansicht wird dann eine Pflicht zur Herausgabe verneint.[414]
In der Literatur wird auf die Möglichkeit des Unterhaltsgläubigers verwiesen, auch bei einer teilweisen Unrichtigkeit des Titels gem. §§ 733, 797 Abs. 3 ZPO auch bei noch offenen Rückständen die unbeschränkte erste vollstreckbare Ausfertigung an den Unterhaltsschuldner herauszugeben, wenn dieser ihm bei Zahlung des jeweils benötigten Kostenvorschusses ermöglicht, eine zweite auf die noch offenen Beträge beschränkte vollstreckbare Ausfertigung zu beantragen.[415] Zahlt der Schuldner den für den Austausch benötigten Kostenvorschuss nicht, so kann der Gläubiger im Abänderungsverfahren grundsätzlich sofort anerkennen.
 

Rz. 359

 

Praxistipp:

Die Aufforderung zur Herausgabe des Titels kann auch in anderem Zusammenhang Bedeutung erlangen. So kann ein Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Abänderungsklage mutwillig sein, wenn der Gläubiger nicht vorher zur Herausgabe des Titels aufgefordert wurde, obwohl er erklärt hat, keine Vollstreckung aus dem Titel mehr betreiben zu wollen, da keine Rückstände mehr bestünden.[416]

[410] OLG Brandenburg FamRZ 2005, 536; OLG Oldenburg FamRZ 2000, 1514; OLG Hamburg FamRZ 1988, 1077, Osthold, FuR 2017, 230.
[411] OLG Köln FamRZ 1997, 1415, 1416; OLG Brandenburg FamRZ 2005, 536.
[415] Osthold, FuR 2017, 230 unter Verweis auf Holznagel, NZFam 2014, 58, 62, der eine Obliegenheit des Unterhaltschuldners zur Zahlung des Kostenvorschusses bejaht.

c) Vorbereitung eines gerichtlichen Abänderungsverfahrens des Unterhaltsgläubigers

 

Rz. 360

Der Unterhaltsgläubiger kann die vollstreckbare Urkunde seinerseits ebenfalls erhöhen.

Eine spätere gerichtliche Durch...

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