Rz. 69

Das Eingreifen einer gesellschaftsvertraglichen Fortsetzungsklausel führt – wie dargestellt – zu einem Anwachsungserwerb der verbleibenden Gesellschafter. Dieser ist an und für sich nicht unbedingt erbschaftsteuerlich relevant. Denn soweit der Vermögensmehrung durch Anwachsung eine gleichwertige Zahlungsverpflichtung gegenüber den Erben des verstorbenen Gesellschafters gegenübersteht, ist der Gesellschafter nicht (steuerpflichtig) bereichert. Wird also nach § 738 Abs. 1 S. 2 BGB eine Abfindung in Höhe des Verkehrswerts des Anteils des Ausscheidenden gezahlt, besteht auf Seiten der verbleibenden Gesellschafter keine Erbschaftsteuerpflicht.[44]

 

Rz. 70

In der Regel ist aber die Abfindung durch entsprechend Gesellschaftsvertragsklauseln beschränk, so dass tatsächlich eine wirtschaftliche Bereicherung der verbleibenden Gesellschafter eintritt. Dann gilt § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 ErbStG. Im Hinblick darauf, dass es sich beim Nachfolgeklauseln und Abfindungsbeschränkungen um gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen handelt, liegt nach zivilrechtlichen Maßstäben keine Schenkung (auch keine auf den Todesfall) vor. Auch ein Erwerb von Todes wegen (i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) scheidet aus. Vor diesem Hintergrund bildet § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 ErbStG eine Sonderregelung für die Rechtsnachfolge in Gesellschaftsanteile (sowohl bei Personen- als auch bei Kapitalgesellschaften), bei der das Gesetz folgende zwei Fiktionen statuiert:

Erstens, dass der Anteilserwerb durch Anwachsung unentgeltlich erfolge und zweitens, dass der Wert des dadurch bewirkten Vermögenszuwachses (Bemessungsgrundlage) in der Differenz zwischen dem steuerlich maßgeblichen Wert des Anteils im Todeszeitpunkt und dem Wert der tatsächlich zu begleichenden Abfindungsansprüche Dritter (insbesondere der Erben des verstorbenen Gesellschafters) bestehe.[45]

Erbschaftsteuer fällt also auf den Betrag an, um den der gem. § 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BewG festzustellende Anteilssteuerwert (nach aktuellem Recht also der Verkehrswert) den Wert des Abfindungsanspruchs übersteigt.

 

Rz. 71

Da § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 ErbStG den steuerpflichtigen Erwerb aufgrund des Eingreifens einer gesellschaftsvertraglichen Fortsetzungsklausel als Erwerb von Todes wegen definiert bzw. fingiert, ist der Anwendungsbereich der §§ 13a ff. und 19a ErbStG grundsätzlich eröffnet.

[44] Riedel, ZErb 2009, 2, 4.
[45] Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 3 Rn 268.

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