1. Einleitung

 

Rz. 618

Die Zuweisung der Ehewohnung an einen Ehegatten zur alleinigen Nutzung ist für die Trennungszeit in § 1361b BGB geregelt, für die Zeit nach rechtskräftiger Scheidung in § 1568a BGB.

 

Rz. 619

Der Begriff der Ehewohnung ist nach allgemeiner Meinung weit auszulegen und erfasst alle Räume, die die Ehegatten zum Wohnen benutzen oder gemeinsam bewohnt haben oder die dafür nach den Umständen bestimmt waren; grundsätzlich kann daher auch eine Wohnlaube oder ein Wochenendhaus, je nach den tatsächlichen Umständen, als Ehewohnung gelten.[378] Zur Wohnung gehören auch Nebenräume wie Keller, Garage, Sport- und Fitnessräume, sofern diese von den Eheleuten vor der Trennung genutzt wurden.[379] Die Wohnung verliert ihren Charakter als Ehewohnung nicht durch den endgültigen Auszug eines Ehegatten, eheliche Spannungen, die alleinige Nutzung eines der Ehegatten oder durch eine vorläufige gerichtliche Zuweisung gem. § 1361b BGB.[380]

[378] BGH FamRZ 1990, 988.
[379] OLG Thüringen FPR 2004, 254.

2. Verfahrensrechtliche Besonderheiten

 

Rz. 620

Gem. § 203 Abs. 3 FamFG soll der Antrag in Ehewohnungssachen die Angabe enthalten, ob Kinder im Haushalt der Ehegatten leben. Ziel dieser Regelung ist, dem Gericht frühzeitig die sachgerechte Beteiligung des Jugendamtes zu ermöglichen.

 

Rz. 621

§ 205 Abs. 1 FamFG bestimmt, dass das Gericht in Wohnungszuweisungssachen das Jugendamt anhören soll, wenn Kinder im Haushalt der Ehegatten leben. Die Bestimmung knüpft an den bisherigen § 49a Abs. 2 FGG an, jedoch ist die Anhörung des Jugendamts unabhängig davon vorgesehen, wie das Verfahren voraussichtlich enden wird. Der eingeschränkten Fassung des bisherigen § 49a Abs. 2 FGG wird dadurch Rechnung getragen, dass die vorliegende Norm, im Gegensatz zu den Regelungen über die Anhörung des Jugendamts in den übrigen Abschnitten des Buches 2, nur als Soll-Vorschrift ausgestaltet ist. Die vorgesehene Neufassung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Zuweisung der Wohnung im Regelfall erhebliche Auswirkungen auf das Wohl der betroffenen Kinder hat.

 

Rz. 622

Gem. § 205 Abs. 2 FamFG hat das Gericht in den Fällen, in denen Kinder im Haushalt der Ehegatten leben, die Entscheidung dem zuständigen Jugendamt mitzuteilen – unabhängig davon, ob das Jugendamt als Beteiligter hinzugezogen war oder nicht. S. 2 enthält eine von § 59 unabhängige Beschwerdebefugnis des Jugendamts.

 

Rz. 623

Bei Ehewohnungssachen, die eine endgültige Regelung i.S.d. § 1568a BGB – also eine Regelung für die Zeit nach rechtskräftiger Scheidung – betreffen, sind gem. § 204 Abs. 1 FamFG der Vermieter der Wohnung, ein möglicher Grundstückseigentümer, ein Dritter i.S.d. § 1568a Abs. 4 BGB oder Personen, mit denen die Ehegatten oder einer von ihnen hinsichtlich der Wohnung in einer Rechtsgemeinschaft stehen, zu beteiligen. Im Umkehrschluss folgt aus der Beschränkung dieser Beteiligung auf die Verfahren nach § 1568a BGB, dass die Vorgenannten in Verfahren, die nur eine vorläufige Regelung für die Zeit des Getrenntlebens nach § 1361b BGB betreffen, nicht zu beteiligen sind.

 

Rz. 624

Ferner regelt § 204 Abs. 2 FamFG, dass das Jugendamt auf eigenen Antrag hin als Beteiligter hinzuzuziehen ist, wenn Kinder im Haushalt wohnhaft sind.

3. Zuweisung der Ehewohnung an einen Ehegatten zur alleinigen Nutzung während der Trennungszeit

 

Rz. 625

Gem. § 1361b BGB kann jeder Ehegatte die teilweise oder vollständige Zuweisung der Ehewohnung an sich verlangen. Ein solcher Antrag setzt nicht voraus, dass die Ehegatten bereits getrennt voneinander leben; er ist bereits zulässig, wenn ein Ehegatte beabsichtigt, sich von dem anderen zu trennen.

 

Rz. 626

Voraussetzung für die Zuweisung der Ehewohnung ist die Vermeidung einer unbilligen Härte. Eine "unbillige Härte" i.S.v. § 1361b Abs. 1 BGB ist anzunehmen, wenn auf Dauer angelegte und in ihrer Anhäufung erhebliche ehezerstörerische Vorkommnisse vorliegen, die über die zum regelmäßigen Erscheinungsbild einer zerrütteten Ehe gehörenden Belästigungen hinausgehen. So stellen z.B. wiederholte Besuche der neuen Lebensgefährtin des Ehemannes, teilweise auch über Nacht, zumindest in einer beengten Wohnsituation eine unbillige Härte im Sinne des § 1361b Abs. 1 BGB dar.[381] Steht die Wohnung hingegen im Eigentum des Ehegatten, der die Wohnungszuweisung begehrt, führt dies in der Regel dazu, dass die an das Vorliegen einer unbilligen Härte zu stellenden Anforderungen herabzusetzen sind.[382]

 

Rz. 627

Eine unbillige Härte kann auch dann gegeben sein, wenn das Wohl von im Haushalt lebenden Kindern beeinträchtigt ist (§ 1361b Abs. 1 S. 2 BGB). Eine Alleinzuweisung der Ehewohnung an die kinderbetreuende Ehefrau aus Gründen des Kindeswohls kommt auch dann in Betracht, wenn eine Gewaltanwendung durch den Ehemann nicht nachgewiesen werden kann. Insofern reicht es aus, wenn es zwischen den Ehegatten/Eltern gravierende Auseinandersetzungen gegeben hat und ein "Klima der Gewalt" vorherrschte. Die Bedürfnisse der Kinder an einer geordneten, ruhigen und möglichst entspannten Familiensituation haben Vorrang vor dem Interesse des Ehemanns an dem Verbleib in der Wohnung.[383]

 

Rz. 628

Gem. § 1361b Abs. 2 BGB...

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