Rz. 256

Gem. § 1565 Abs. 2 BGB kann die Ehe vor Ablauf des Trennungsjahres nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde.

 

Rz. 257

An die Feststellung der unzumutbaren Härte sind strenge Anforderungen zu stellen. Das Gesetz mutet den Ehegatten, die noch kein Jahr lang getrennt leben, trotz zumindest bei einem Ehegatten vorhandener Überzeugung vom Scheitern der Ehe grundsätzlich zu, die Jahresfrist abzuwarten.[209] Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Vorschrift des § 1565 Abs. 2 BGB voreiligen Scheidungsentschlüssen entgegenwirken.[210] Maßstab für die Zumutbarkeitsprüfung ist, ob dem Antragsteller in seiner konkreten Lage angesonnen werden kann, die eheerhaltenden Chancen des Abwartens eines Trennungsjahres nicht abzubrechen, sondern auszuschöpfen, oder ob zu seinem Schutz doch nicht verlangt werden kann, an seinen Ehepartner noch weiterhin gebunden zu sein. Dieses besonderen Schutzes bedarf ein Ehegatte jedoch nur bei schwerwiegenden Verstößen seines Ehepartners gegen die Gebote der ehelichen Solidarität, die es geradezu als entwürdigendes Unrecht ihm gegenüber erscheinen lassen müsste, würde man ihn noch länger am Eheband festhalten. So erfüllt bspw. nicht jeder Bruch der ehelichen Treue den Ausnahmecharakter des § 1565 Abs. 2 BGB. Bei Aufnahme einer außerehelichen Lebensgemeinschaft des anderen Ehepartners mit einem Dritten müssen weitere Umstände hinzutreten, um die Unzumutbarkeit für den antragstellenden Ehepartner, das Trennungsjahr abzuwarten, zu begründen.[211] Erwartet die Ehefrau aus einem ehebrecherischen Verhältnis ein Kind, kann der Ehemann wegen der Möglichkeit des Ausschlusses der Vaterschaftsvermutung nach § 1599 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 BGB schon vor Ablauf des Trennungsjahres die Ehescheidung begehren.[212] Die Tatsache, dass die Ehefrau sich inzwischen einem anderen Partner zugewandt hat, mit ihm zusammenlebt, von ihm ein Kind erwartet und ihn deshalb noch vor der Geburt des Kindes heiraten will, stellt im Gegensatz dazu keine unzumutbare Härte i.S.d. § 1565 Abs. 2 BGB dar.[213]

 

Rz. 258

Auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1565 Abs. 2 BGB kann der Scheidungsantrag abgewiesen werden, wenn ausnahmsweise die Voraussetzungen des § 1568 BGB gegeben sind.

[210] Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1565 Rn 45 m.w.N.
[211] OLG Rostock NJW 2006, 3648–3649; s. zu weiteren Umständen: AG München FamRZ 2007, 1886.
[212] OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 1417; OLG Frankfurt a.M. FamRZ 2006, 625.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge