Rz. 1770

§ 13 BUrlG regelt das Verhältnis zwischen BUrlG einerseits und Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträgen andererseits. Der Urlaubsanspruch an sich ist grds. unabdingbar. Selbst in Tarifverträgen kann von den Bestimmungen der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 BUrlG nicht abgewichen werden. Ein Mindesturlaub von vier Wochen pro Urlaubsjahr ist somit unantastbar und unabdingbar. Aus Sinn und Zweck des Abgeltungsanspruches hinsichtlich des nicht mehr erfüllbaren Urlaubsanspruches ergibt sich, dass auch § 7 Abs. 4 BUrlG der Disposition der Tarifvertragsparteien entzogen, also unabdingbar ist (BAG v. 21.7.1978, AP Nr. 5 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit), sofern der Mindesturlaub betroffen ist. Für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen sind aber möglich, da das BUrlG nur die jedem Arbeitnehmer zustehenden Mindestansprüche regeln will (BAG v. 20.4.1956, AP Nr. 7 zu § 611 BGB Urlaubsrecht). In Arbeitsverträgen und Betriebsvereinbarungen kann mit Ausnahme des § 7 Abs. 2 S. 2 BUrlG vom BUrlG grds. nicht zulasten des Arbeitnehmers abgewichen werden, entsprechende anderweitige Vereinbarungen sind gem. § 134 BGB nichtig. Für den Arbeitnehmer günstigere arbeitsvertragliche Regelungen bleiben möglich, die Betriebsparteien haben das Sperrverbot nach den §§ 77 Abs. 3, 87 Abs. 1 BetrVG zu beachten.

 

Rz. 1771

Durch § 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG hat der Gesetzgeber den Vorrang des Tarifvertrages ggü. dem Gesetz festgelegt. Mit Ausnahme der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 BUrlG ist es den Tarifvertragsparteien unbenommen, vom BUrlG zulasten des Arbeitnehmers abzuweichen. Solche abweichenden Bestimmungen müssen aber eindeutig und klar sein, wobei bei Auslegungszweifeln das BUrlG gilt (BAG v. 8.6.1977, AP Nr. 13 zu § 11 BUrlG; Powietzka/Rolf, BUrlG, § 7 Rn 144). Verwenden die Tarifvertragsparteien im Tarifvertrag einen Begriff, dem im Gesetz eine bestimmte Bedeutung zukommt, ist davon auszugehen, dass sie diesen Begriff i.S.d. gesetzlichen Verständnisses vereinbart haben und verstanden wissen wollten (BAG v. 3.5.1984, AP Nr. 17 zu § 7 BUrlG, Abgeltung; BAG v. 15.12.1987, AP Nr. 9 zu § 9 BUrlG). Greift ein Tarifvertrag – unmittelbar oder mittelbar – zum Nachteil des Arbeitnehmers in die Grundsatznormen der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 BUrlG ein, so ist die jeweilige tarifvertragliche Bestimmung unwirksam; an ihre Stelle tritt das BUrlG.

 

Rz. 1772

Das Vorrangsprinzip gilt auch für den lediglich nach § 4 Abs. 5 TVG nachwirkenden Tarifvertrag, jedoch nur für solche Arbeitsverhältnisse, die bereits zur Zeit der Geltung des Tarifvertrages bestanden haben (BAG v. 13.6.1968, AP Nr. 2 zu § 4 TVG Nachwirkung). Vorrang kommt zudem solchen Tarifverträgen zu, die aufgrund Allgemeinverbindlichkeitserklärung (§ 5 TVG) auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Läuft dieser Tarifvertrag aus und wird kein neuer Tarifvertrag vereinbart, bleiben die tarifvertraglichen Bestimmungen gem. § 4 Abs. 5 TVG gültig (BAG v. 18.6.1980, AP Nr. 68 zu § 4 TVG Ausschlussfristen). Denn auch der alte, nachwirkende Tarifvertrag ist Rechtsnorm i.S.d. § 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG und genießt nach dem Willen des Gesetzgebers den Vorrang vor dem BUrlG. Der alte, für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag gilt auch dann nachwirkend weiter, wenn ein neuer Tarifvertrag zwar vereinbart, dieser jedoch nicht für allgemeinverbindlich erklärt wurde (LAG Berlin v. 19.10.1990, LAGE § 4 TVG Nachwirkung Nr. 1; LAG Köln v. 20.2.1991, DB 1991, 2248).

 

Rz. 1773

Ungünstigere, zum Nachteil der Arbeitnehmer vom BUrlG abweichende Bestimmungen in Tarifverträgen gelten unabhängig von der Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien auch dann, wenn sie einzelvertraglich vereinbart werden, was auch konkludent erfolgen kann (BAG v. 5.9.1985, AP Nr. 1 zu § 1 BUrlG Treueurlaub), aufgrund betrieblicher Übung (BAG v. 15.2.1965, AP Nr. 6 zu § 13 BUrlG) oder aufgrund einer Gesamtzusage. Ausreichend ist, dass sich der ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarung entnehmen lässt, dass die Parteien die jeweils gültigen und bestimmbaren Tarifverträge anwenden wollen (LAG Hamm v. 29.9.1975, BB 1976, 603). Diese müssen jedoch einschlägig sein; das Arbeitsverhältnis muss also dem persönlichen, räumlichen, fachlichen und betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages unterfallen (Neumann/Fenski/Kühn//Kühn, BUrlG, § 13 Rn 25). Möglich ist auch eine bloße Übernahme der tarifvertraglichen Urlaubsregelung, soweit sie als Ganzes übernommen wird (LAG Hamm v. 9.7.1970, BB 1970, 1178). Dabei steht es den Parteien frei, über den vereinbarten Tarifvertrag hinaus für den Arbeitnehmer günstigere Urlaubsbedingungen zu vereinbaren.

 

Rz. 1774

Derjenige, der sich auf die Geltung des vom BUrlG abweichenden Tarifvertrages beruft, ist insoweit darlegungs- und beweispflichtig. Weicht der Tarifvertrag zugunsten des Arbeitnehmers vom BUrlG ab, obliegt dem Arbeitnehmer die Darlegung und der Beweis der Anwendbarkeit dieser Regelungen; beruft sich hingegen der Arbeitgeber auf die Geltung der für den Arbeitnehmer ungünstigeren tarifvertraglichen Regelungen, ...

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