Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmerentsendung. Nicht-EU-Ausland

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Arbeitgeber mit Sitz im Nicht-EU-Ausland, der in die Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer zur Erbringung baulicher Leistungen i.S.d. Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe entsendet, ist wegen § 1 AEntG zur Zahlung von Beiträgen an die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft nach den für allgemeinverbindlich erklärten Bautarifverträgen verpflichtet.

2. Die Zahlungpflicht entfällt nicht dadurch, dass die entsandten Arbeitnehmer bis zum Ablauf des zweiten auf das Jahr der Entstehung dieser Ansprüche folgenden Kalenderjahrs keine Ansprüche nach deutschem Recht gegenüber ihrem Arbeitgeber oder der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse geltend gemacht haben.

 

Normenkette

AEntG § 1 Abs. 1, 3; SGB III § 211 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 30.09.1999; Aktenzeichen 5 Ca 87/99)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.01.2005; Aktenzeichen 9 AZR 621/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird – unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin – das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 30. September 1999 – 5 Ca 87/99 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten EUR 43.565,62 (i.W.: Dreiundvierzigtausendfünfhundertfünfundsechzig 62/100 Euro) zu zahlen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin gegenüber dem Beklagten verpflichtet ist, bezüglich ihrer in Deutschland beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer Auskünfte zu erteilen und Beiträge zu leisten.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft tschechischen Rechts mit Sitz in Zlin (Tschechische Republik) und unterhält einen baugewerblichen Betrieb. Mit Hilfe tschechischer Arbeitnehmer führt sie seit 1999 in der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage von Werkverträgen als Subunternehmerin Rohbauarbeiten aus. Die tschechischen Arbeitnehmer sind zum deutschen Arbeitsmarkt zugelassen.

Der Beklagte ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütung zu sichern. Nach § 8 Ziff. 15.1 des für allgemeinverbindlich erklärten Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV/Bau) vom 03.02.1981 bzw. ab 01.09.2002 vom 04.07.2002, in den ab 1999 geltenden Fassungen, haben die baugewerblichen Arbeitgeber, die dazu erforderlichen Mittel durch Beiträge aufzubringen. Auf diese Beiträge hat der Beklagte einen unmittelbaren Anspruch. Die Höhe der Beiträge, der Beitragseinzug sowie die Leistungen des Beklagten sind in einem ebenfalls für allgemeinverbindlich erklärten Verfahrenstarifvertrag, für 1999 vom 12.11.1986 i.d.F. vom 28.01.1999, 09.04.1999 und 26.05.1999, ab 01.01.2000 vom 20.12.1999, 01.12.2000, 15.05.2001, 14.12.2001, 22.02.2002 und 04.07.2002 geregelt.

Nachdem der Beklagte von der Klägerin für die Zeit ab 01.01.1999 die Erteilung von Auskünften und die Zahlung von Beiträgen für die in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer verlangt, die Klägerin dies zurückgewiesen und der Beklagte auf seiner Forderung bestanden hatte, begehrt die Klägerin mit ihrer Klage die Feststellung, dass sie zu Auskünften und Beitragszahlungen an den Beklagten nicht verpflichtet sei.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie müsse den in den tarifvertraglichen Vorschriften des Baugewerbes genannten Verpflichtungen zur Auskunftserteilung und zur Beitragszahlung nicht nachkommen, da die entsprechenden Vorschriften für sie keine Wirkung entfalten könnten.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, während ihrer baugewerblichen Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland an dem Urlaubsverfahren für außerhalb Deutschlands ansässige Arbeitgeber und ihre in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer gemäss §§ 55 ff VTV teilzunehmen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, der Klägerin sei zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren, mithin auch zur Auskunftserteilung und Beitragszahlung nach den entsprechenden Bestimmungen verpflichtet.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 30.09.1999 stattgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 62 bis 91 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 11.08.2003 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Er wiederholt und vertieft seine Ansicht, wonach die Klägerin zur Auskunftserteilung und Beitragszahlung verpflichtet sei und macht im Wege der Widerklage Beitragsansprüche für den Zeitraum Januar bis Dezember 1999 geltend. Die Höhe des verlangten Betrages errechne sich hinsichtlich der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer aus de...

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