Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsnehmerentsendung. Urlaubskasse Baugewerbe

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Arbeitgeber mit Sitz im Nicht-EG-Ausland, die in die Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer zur Erbringung baulicher Leistungen entsenden, sind wegen § 1 AEntG zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen an die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft nach den für allgemein verbindlich erklärten Bautarifverträgen verpflichtet.

2. Die Verpflichtung zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen entfällt nicht deshalb, weil die entsandten Arbeitnehmer bis zum Ablauf des zweiten auf das Jahr der Entstehung dieser Ansprüche folgenden Kalenderjahrs keine Urlaubsentgeltansprüche oder Urlaubsabgeltungsansprüche nach deutschem Recht gegenüber ihrem Arbeitgeber oder gegenüber der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse geltend gemacht haben.

 

Normenkette

AEntG § 1; BauRTV § 8 Ziff. 15; SGB III § 211

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 24.02.2000; Aktenzeichen 5 Ca 1283/99)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.01.2005; Aktenzeichen 9 AZR 620/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin – das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 24. Februar 2000 – 5 Ca 1283/99 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen

Auf die Widerklage des Beklagten wird die Klägerin verurteilt,

  1. dem Beklagten Auskunft auf dem hierfür vorgesehenen Formular hinsichtlich jedes einzelnen gewerblichen Arbeitnehmers, den sie im Kalenderjahr 1999 in die Bundesrepublik entsandt hat, über

    1.1 Name, Vorname, Geburtsdatum und Heimatadresse

    1.2 Bankverbindung im Inland oder Ausland, soweit insoweit vorhanden,

    1.3 Art der Tätigkeit während der Beschäftigung in Deutschland,

    1.4 Beginn und voraussichtliche Dauer der Beschäftigung in Deutschland;

  2. dem Beklagten Auskunft auf dem hierfür vorgesehenen Formular über Name, Vorname, Geburtsdatum, Beschäftigungszeit und Höhe des Bruttolohns in Deutscher Mark jedes einzelnen von der Klägerin nach Deutschland entsandten gewerblichen Arbeitnehmers für die jeweiligen Monate

    Juli 1999 bis Dezember 1999

    sowie die Höhe des für die einzelnen vorgenannten Monate jeweils fällig gewordenen Urlaubskassenbeitrags zu erteilen;

  3. für den Fall, dass sie ihre Auskunftspflicht gem. Ziff. 1 innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt, eine Entschädigung in Höhe von

    EUR 511,29

    (i.W.: Fünfhundertelf 29/100 Euro)

    zu zahlen;

  4. für den Fall, dass sie ihre Auskunftspflicht gem. Ziff. 2 innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt, eine Entschädigung in Höhe von

    EUR 32.993,67

    (i.W.: Zweiunddreißigtausendneunhundertdreiundneunzig 67/100 Euro)

    zu zahlen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin gegenüber dem Beklagten verpflichtet ist, bezüglich ihrer in Deutschland beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer Auskünfte zu erteilen und Beiträge zu leisten.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft tschechischen Rechts mit Sitz in Prag und unterhält einen baugewerblichen Betrieb. Mit Hilfe tschechischer Arbeitnehmer führt sie seit 1999 in der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage von Werkverträgen als Subunternehmerin Tunnelvortriebs- und Ausbauarbeiten an Bauwerken aus. Die tschechischen Arbeitnehmer sind zum deutschen Arbeitsmarkt zugelassen.

Der Beklagte ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütung zu sichern. Nach § 8 Ziff. 15.1 des für allgemeinverbindlich erklärten Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV/Bau) vom 03.02.1981 bzw. ab 01.09.2002 vom 04.07.2002, in den ab 1999 geltenden Fassungen, haben die baugewerblichen Arbeitgeber, die dazu erforderlichen Mittel durch Beiträge aufzubringen. Auf diese Beiträge hat der Beklagte einen unmittelbaren Anspruch. Die Höhe der Beiträge, der Beitragseinzug sowie die Leistungen des Beklagten sind in einem ebenfalls für allgemeinverbindlich erklärten Verfahrenstarifvertrag, für 1999 vom 12.11.1986 i.d.F. vom 28.01.1999, 09.04.1999 und 26.05.1999, ab 01.01.2000 vom 20.12.1999, 01.12.2000, 15.05.2001, 14.12.2001, 22.02.2002 und 04.07.2002 geregelt.

Nachdem der Beklagte von der Klägerin für die Zeit ab 01.01.1999 die Erteilung von Auskünften und die Zahlung von Beiträgen für die in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer verlangt, die Klägerin dies zurückgewiesen und der Beklagte auf seiner Forderung bestanden hatte, begehrt die Klägerin mit ihrer Klage die Feststellung, dass sie zu Auskünften und Beitragszahlungen an den Beklagten nicht verpflichtet sei.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie müsse den in den tarifvertraglichen Vorschriften des Baugewerbes genannten Verpflichtungen zur Auskunftserteilung und zur Beitragszahlung nicht nachkommen, da die entsprechenden Vo...

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