Rz. 1708

Der Urlaubsanspruch erlischt durch Gewährung von bezahlter Freizeit (§ 7 Abs. 2 BUrlG) oder zulässiger Urlaubsabgeltung (§ 7 Abs. 4 BUrlG); er verfällt, wenn er nicht im laufenden Kalenderjahr genommen wird (§ 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG) oder, falls ein Grund zur Übertragung besteht, wenn er nicht bis spätestens zum 31.03. des Folgejahres genommen wird (BAG v. 26.6.1969, AP Nr. 1 zu § 7 BUrlG Urlaubsjahr, s. aber Rdn 1746 ff.). Dies jedoch nur, wenn der Arbeitgeber vorab gewissen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist (BAG v. 19.2.2019 – 9 AZR 423/16, NZA 2019, 977). Das BAG setzte damit die Vorabentscheidung des EuGH um (EuGH v. 6.11.2018 – C-684/16, NZA 2018, 1474). Die Hinweise auf den möglichen Verfall der Urlaubsansprüche seitens des Arbeitgebers müssen konkret, klar und rechtzeitig erfolgen. I.d.R. empfiehlt sich die Textform (z.B. E-Mail), in der der Arbeitgeber die Anzahl der verbliebenen Urlaubstage mitteilt, zur rechtzeitigen Beantragung des Urlaubs auffordert und über die Konsequenzen der Nichtnahme belehrt (Wypych, EWiR 19/2019, 603). Offen ist, ob diese Mitwirkungsobliegenheit auch für den vertraglichen (Mehr-)Urlaub gelten soll; das BAG wendet diese Grundsätze bereits auf den tariflichen Mehrurlaub an (BAG v. 19.2.2019 – 9 AZR 541/15, NZA 2019, 982). Sofern der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen hat, tritt der am 31.12 des Urlaubsjahres nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch des am 1.1. des Folgejahres beginnenden Urlaubsanspruchs kumulativ hinzu (vgl. u.a. BAG v. 19.2.2019 – 9 AZR 423/16, NZA 2019, 977).

Im Fall des Anspruches auf Teilurlaub gem. § 5 Abs. 1 Buchst. a) BUrlG kann dieser auf Verlangen des Arbeitnehmers auf das Folgejahr unabhängig vom Stichtag 31.3. übertragen werden (§ 7 Abs. 3 S. 4 BUrlG). Konnte der Teilurlaub im vorangegangenen Urlaubsjahr wegen des fehlenden Ablaufes der sechsmonatigen Wartefrist noch nicht realisiert werden, so geht er kraft Gesetzes auf das neue Urlaubsjahr über (LAG Rheinland-Pfalz v. 2.9.1999 –4 Sa 547/99, NZA 2000, 262).

 

Rz. 1709

Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, dass dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dem entgegenstehen (§ 7 Abs. 2 S. 1 BUrlG). In diesem Fall muss einer der Urlaubsteile mindestens 12 Werktage umfassen, sofern der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als 12 Werktagen hat. Da das BUrlG von einer Sechs-Tage-Woche ausgeht, beträgt der Mindesturlaub bei einer Fünf-Tage-Woche zehn Werktage, also jeweils zwei Wochen. Wird der Urlaub entgegen § 7 Abs. 2 BUrlG extrem gestückelt, so handelt es sich nicht um eine ordnungsgemäße Erfüllung des Urlaubsanspruches; der Arbeitnehmer hat selbst bei seinem Einverständnis zur Stückelung Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Nachgewährung des Urlaubes (BAG v. 29.7.1965, AP Nr. 1 zu § 7 BUrlG).

 

Rz. 1710

Tarifvertragliche Ausschlussfristen können zwar Ansprüche auf Urlaubsgeld erfassen (BAG v. 28.10.1960 – 1 AZR 92/59). Sie erfassten hingegen bislang nicht das sog. Stammrecht, d.h. den gesetzlichen Urlaubs- und Abgeltungsanspruch. Das BAG hat nun infolge der Schultz-Hoff-Entscheidung des EuGH (s. Rdn 1746 ff.) allerdings hinsichtlich des Urlaubsabgeltungsanspruchs bei anhaltender AU zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entschieden, dass dieser "reine Geldanspruch" von einer tariflichen Ausschlussfrist, hier: § 37 Abs. 1 TV-L, erfasst werde und daher verfallen könne (BAG v. 9.8.2011 – 9 AZR 365/10). Ob dies auch für eine sog. zweistufige Ausschlussfrist gilt, hat das BAG hier ausdrücklich offengelassen, zur (einmaligen) Geltendmachung im Rahmen der kirchlichen AVR vgl. die Entscheidung des BAG v. 9.8.2011 – 9 AZR 475/10, NZA 2012, 166

Des Weiteren ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob tarifliche Ausschlussfristen auch tarifliche bzw. gesetzliche Urlaubsansprüche erfassen sollen, wobei das BAG nunmehr davon ausgeht, dass etwa die Formulierung: "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" alle gesetzlichen und vertraglichen Ansprüche umfasse, welche die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben. Diese Voraussetzung treffe gleichermaßen auf Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche zu (BAG v. 9.8.2011, NZA 2012, 1421). Eine Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf tarifvertragliche Ausschlussfristen ist wirksam (BAG v. 5.11.1963, AP Nr. 1 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; zu etwaigen Schadenersatzansprüchen des AN bei fehlendem Nachweis des AG vgl. BAG v. 21.2.2012, NZA 2012, 750). Der Schadensersatzanspruch wegen Verzuges nach erfolgloser Geltendmachung wird daher ebenfalls von einer tariflichen Ausschlussfrist erfasst werden können.

 

Rz. 1711

Urlaubsansprüche unterliegen der Verjährung. Es gilt die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB, wobei die Frist mit Ablauf des Urlaubsjahres beginnt (§ 199 BGB). Praktische Bedeutung hatten die Verjährungsvorschriften wegen § 7 Abs. 3 BUrlG und des daraus für das BAG folgenden "eigenen F...

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