Rz. 1185

Basierend auf den grundlegenden Arbeiten des Mobbingforschers Leymann wird der Versuch unternommen, einzelne Mobbinghandlungen zu kategorisieren und zu katalogisieren. Die von Leymann (Mobbing, S. 33 f.) herausgestellten 45 Handlungsweisen werden im Folgenden beispielhaft aufgeführt. Die Liste ist nicht abschließend, wie Esser/Wolmerath mit ihrem Katalog von 100 Mobbinghandlungen (Der Personalrat 2000, 448) eindrucksvoll gezeigt haben.

 

Rz. 1186

Übersicht über Mobbinghandlungen (nicht abschließend):

Angriffe auf die Möglichkeiten, sich mitzuteilen:

Der Vorgesetzte schränkt die Möglichkeiten ein, sich zu äußern.
Man wird ständig unterbrochen.
Kollegen schränken die Möglichkeiten ein, sich zu äußern.
Anschreien oder lautes Schimpfen.
Ständige Kritik an der Arbeit.
Ständige Kritik am Privatleben.
Telefonterror.
Mündliche Drohungen.
Schriftliche Drohungen.
Kontaktverweigerung durch abwertende Blicke oder Gesten.
Kontaktverweigerung durch Andeutungen, ohne dass man etwas direkt ausspricht.

Angriffe auf die sozialen Beziehungen:

Man spricht nicht mehr mit dem/der Betroffenen.
Man lässt sich nicht ansprechen.
Versetzung in einen Raum weitab von den Kollegen.
Den Arbeitskollegen/-innen wird verboten, den/die Betroffene/n anzusprechen.
Man wird "wie Luft" behandelt.

Auswirkungen auf das soziale Ansehen:

Hinter dem Rücken des Betroffenen wird schlecht über ihn gesprochen.
Man verbreitet Gerüchte.
Man macht jemanden lächerlich.
Man verdächtigt jemanden, psychisch krank zu sein.
Man will jemanden zu einer psychiatrischen Untersuchung zwingen.
Man macht sich über eine Behinderung lustig.
Man imitiert den Gang, die Stimme oder Gesten, um jemanden lächerlich zu machen.
Man greift die politische oder religiöse Einstellung an.
Man macht sich über das Privatleben lustig.
Man macht sich über die Nationalität lustig.
Man zwingt jemanden, Arbeiten auszuführen, die das Selbstbewusstsein verletzen.
Man beurteilt den Arbeitseinsatz in falscher und kränkender Weise.
Man stellt die Entscheidungen des/der Betroffenen infrage.
Man ruft ihm/ihr obszöne Schimpfworte oder andere entwürdigende Ausdrücke nach.
Man macht sexuelle Annäherungen oder verbal sexuelle Angebote.

Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation:

Man weist dem Betroffenen keine Arbeitsaufgaben zu.
Man nimmt ihm jede Beschäftigung am Arbeitsplatz, sodass er sich nicht einmal selbst Aufgaben ausdenken kann.
Man gibt ihm sinnlose Arbeitsaufgaben.
Man gibt ihm Aufgaben weit unter seinem eigentlichen Können.
Man gibt ihm ständig neue Aufgaben.
Man gibt ihm "kränkende" Aufgaben.
Man gibt dem Betroffenen Arbeitsaufgaben, die seine Qualifikation übersteigen, um ihn zu diskreditieren.

Angriffe auf die Gesundheit:

Zwang zu gesundheitsschädlichen Arbeiten.
Androhung körperlicher Gewalt.
Anwendung leichter Gewalt, z.B. um jemandem einen "Denkzettel" zu verpassen.
Körperliche Misshandlung.
Man verursacht Kosten für den/die Betroffene/n, um ihm/ihr zu schaden.
Man richtet psychischen Schaden im Heim oder am Arbeitsplatz des/der Betroffenen an.
Sexuelle Handgreiflichkeiten.
 

Rz. 1187

Eine Vielzahl weiterer Mobbingaktionsformen ist denkbar. Sie hängen ganz von der Fantasie des Mobbenden und den sonstigen Umständen ab, unter denen die Arbeitsleistung im Einzelfall zu erbringen ist. Allen denkbaren Mobbinghandlungen liegt die Förderlichkeit oder sogar das Ziel einer Erschwerung der Arbeitsbedingungen zugrunde. Ebenfalls zählt die Isolierung des Mobbingopfers von seinen Arbeitskollegen ("Ich werde wie Luft behandelt") hierzu.

 

Rz. 1188

Das Vorliegen von Mobbing erfordert eine fortgesetzte, prozesshafte Wiederholung von Angriffen der o.g. Art. Dabei kann es sich um die Wiederholung derselben Handlung oder Kategorie, aber auch um wechselnde Handlungen einer oder unterschiedlicher Kategorien handeln. Handelt es sich dagegen um vereinzelt gebliebene Schikanen oder sonstige Angriffe und liegt deshalb kein Mobbing vor, verbleibt es bei einer in Bezug auf diese Handlungen isolierten Rechtswidrigkeitsprüfung (vgl. Wickler, DB 2002, 481). Bloße Konflikte (Streit) oder Kommunikationsstörungen sind kein Mobbing.

 

Rz. 1189

Je nach Dauer und Intensität der Angriffshandlungen kann Mobbing durchaus in Psychoterror übergehen (diese Einschätzung und Begriffswahl teilen LAG Thüringen v. 10.4.2001, NZA-RR 2001, 359 und 362; Kittner/Zwanziger/Deinert/Heuschmid/Becker, § 73 Rn 80; ebenso Haller/Koch, NZA 1995, 356, 360; Kollmer, Rechtsberater Mobbing im Arbeitsverhältnis, S. 80 und Wilhelm, AuA 1995, 234; abl. Rieble/Klumpp, ZIP 2002, 370). Mobbing kann im Einzelfall schwerwiegende gesundheitliche Folgen verursachen und im Verlauf je nach Intensität, Dauer der Handlungen aber auch abhängig von der psychischen und physischen Konstitution des Opfers zu psychosomatischen Erkrankungen bis hin zu schweren Krankheiten und Selbstmord führen (grundlegend LAG Thüringen v. 15.2.2001, NZA-RR 2001, 581 m.w.N.; BAG v. 24.4...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge