Rz. 1656

Der Mindesturlaubsanspruch nach dem BUrlG ist gesetzlich garantiert. Abweichende Vereinbarungen in Arbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Regelungsabreden sind nur zugunsten des Arbeitnehmers zulässig (§ 13 Abs. 1 S. 2 BUrlG). Abweichende Regelungen in Tarifverträgen zulasten der Arbeitnehmer sind hingegen mit Ausnahme von Regelungen entgegen §§ 1, 2, 3 Abs. 1 BUrlG zulässig (§ 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG). Sonderregelungen sind darüber hinaus möglich im Bereich des Baugewerbes, sonstiger vergleichbarer Wirtschaftszweige, dem Bereich der Deutschen Bahn AG und den Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost (§ 13 Abs. 2 und 3 BUrlG). Verstöße gegen § 13 BUrlG führen dazu, dass der Arbeitnehmer berechtigt ist, trotz entgegenstehender, aber nichtiger Regelungen seine Mindestansprüche nach dem BUrlG geltend zu machen.

 

Rz. 1657

Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tode einer Person dessen Vermögen auf die Erben über. Ausgenommen davon sind höchstpersönliche Ansprüche des Erblassers, d.h. Ansprüche, die nach ihrem Inhalt und ihrer Zweckbestimmung allein der Person des Anspruchsinhabers zustehen sollen. Der Urlaubsanspruch dient dazu, dem Arbeitnehmer die Möglichkeit der Erholung zu gewährleisten. Wo dies wegen des Todes des Anspruchsinhabers nicht mehr möglich ist, ging der Urlaubsanspruch als höchstpersönlicher Anspruch und dem folgend auch die vormalige Auffassung des BAG auch der Urlaubsabgeltungsanspruch unter (zuletzt BAG v. 12.3.2013 – 9 AZR 532/11, NJW 2013, 1980; BAG v. 20.9.2011 – 9 AZR 416/10, NZA 2012, 326). Diese Auslegung verstieß nach Auffassung des EuGH gegen Art. 7 RL 2003/88/EG mit der Folge, dass sich ein vorhandener (Mindest-) Urlaubsanspruch mit dem Tod – wegen der dadurch bedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses – in einen Abgeltungsanspruch umwandelt, der von den Erben geltend gemacht werden kann (EuGH v. 12.6.2014 – C-118/13 – Bollacke: dazu Ricken, NZA 2014, 1361; Schmidt, NZA 2014,701). Das BAG hatte den EuGH erneut um Vorabentscheidung gebeten, weil es (weiterhin) der Auffassung war, dass das nationale Recht (§ 1922 Abs. 1 BGB i V. m. § 7 Abs. 4 BUrlG) dem entgegenstünde (BAG v. 18.10.2016 – 9 AZR 196/16, ArbRAktuell 2016, 525; EuGH v. 6.11.2018 – C-569/16, C-570/16, NZA 2018, 1467). Nur wenn der Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verstarb, fiel der bereits entstandene Anspruch bislang in den Nachlass und konnte dementsprechend von den Erben geltend gemacht werden (vgl. BAG v. 20.4.1956, AP Nr. 7 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; BAG v. 20.9.2011, NZA 2012, 326; BAG v. 22.9.2015 – 9 AZR 170/14, NJW 2016, 1837).

Der EuGH bestätigt seine bisherige Rechtsprechung, wonach ein Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub mit seinem Tod nicht ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs untergehe. Die Erben des Verstorbenen könnten finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub verlangen (EuGH v. 6.11.2018 – C-569/16, C-570/16 – Bauer und Willmeroth, NZA 2018, 1467: dazu Wypych, EWiR 1/2019, 25). Der EuGH betont damit den vermögensrechtlichen Aspekt eines Urlaubsanspruchs (so bereits EuGH v. 20.7.2016 – C-341/15 – Maschek: dazu Schuster, ArbRAktuell 2016, 430; Fuhlrott /Römermann, GWR 2017, 39).

Das BAG hat anschließend in Umsetzung dieser EuGH-Rspr. in einer Reihe von Entscheidungen (vgl. BAG v. 22.1.2019 – 9 AZR 149/17, NZA 2019, 985; – 9 AZR 45/16, NZA 2019, 829; – 9 AZR 328/16, NZA 2019, 835) seine vormalige Rspr. aufgegeben und in richtlinienkonformer Auslegung von §§ 1, 7 Abs. 4 BUrlG angenommen, dass die Vergütungskomponente des Anspruchs auf den vor dem Tod nicht mehr genommenen Jahresurlaub als Bestandteil des Vermögens Teil der Erbmasse wird. Aus dem Grundsatz der Universalsukzession (§ 1922 Abs. 1 BGB) folgt, dass die Erben hierbei die gesetzlichen und insbesondere die tariflichen Ausschlussfristen beachten müssen (BAG v. 22.1.2019 – 9 AZR 149/17, NZA 2019, 835).

 

Rz. 1658

Aus der Qualifizierung des Urlaubsanspruches als höchstpersönliches Recht folgt, dass der Anspruch auf Gewährung des Urlaubes, der Freistellung von der Arbeitspflicht, nur ggü. dem Arbeitnehmer erfüllt werden kann, also weder pfändbar noch verpfändbar noch übertragbar ist (§ 851 Abs. 1 ZPO; §§ 1274 Abs. 2, 399, 400 BGB).

 

Rz. 1659

Der Anspruch auf das Urlaubsentgelt hingegen zählt zum Arbeitsentgelt i.S.d. § 611 BGB und kann nach § 850 Abs. 1 und 2 ZPO innerhalb der Grenzen des § 850c ZPO gepfändet und damit auch übertragen werden, er ist demzufolge auch der Aufrechnung zugänglich (BAG v. 20.6.2000 – 9 AZR 405/99, DB 2000, 2327, abl. Neumann/Fenski/Kühn, § 2 Rn 79 m.w.N. zum Meinungsstand). Entsprechendes gilt für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung (BAG v. 28.8.2001 – 9 AZR 611/99, DB 2002, 327).

 

Rz. 1660

Eine Aufrechnung setzt allerdings neben der Fälligkeit der Leistungen insb. auch eine Gleichartigkeit der Leistung voraus (zur fehlenden Gleichartigkeit bei Brutto-Urlaubsvergütungsansprüchen und Netto-Schadensersatzansprüchen: LAG Köln v. 23.8.1989, LAGE § 7 BUrlG...

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