Rz. 84

Erachtet das Gericht die arbeitgeberseitige Kündigung – aus welchem Grunde auch immer – für unwirksam und gibt es der Feststellungsklage nach § 4 S. 1 KSchG (mit punktuellem Streitgegenstand, siehe Rdn 10–14) statt, dann ist mit Rechtskraft des Urteils darüber entschieden, dass das Arbeitsverhältnis durch diese Kündigung nicht aufgelöst ist. Dieses Urteil beinhaltet nach ständiger Rechtsprechung des BAG zugleich die Feststellung, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung oder zu dem des Kündigungstermins ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.[98] Zugleich steht fest, dass das Arbeitsverhältnis vor oder bis zu diesem Termin auch nicht aufgrund irgendeines anderen Umstands geendet hat. Die einem Antrag nach § 4 S. 1 KSchG stattgebende Entscheidung enthält zugleich die Feststellung, dass zum angestrebten Auflösungszeitpunkt ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien noch bestanden hat (sog. erweiterter punktueller Streitgegenstandsbegriff).[99] Erkennt das Gericht auf Unwirksamkeit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, so wird in den Entscheidungsgründen entweder ausdrücklich oder zumindest inzident das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses als denklogische Voraussetzung bejaht. Ist also rechtskräftig entschieden worden, dass das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst worden ist, kann der Arbeitgeber nicht demgegenüber mit Erfolg geltend machen, es habe im Kündigungszeitpunkt oder im Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist kein Arbeitsverhältnis bestanden.

 

Rz. 85

Hat der Arbeitnehmer eine selbstständige Klage nach § 256 ZPO erhoben (z.B. mit dem Antrag festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst worden ist und über einen bestimmten Zeitpunkt hinaus unverändert fortbesteht) und gibt das Arbeitsgericht für den Fall der Zulässigkeit dieser Feststellungsklage (vgl. Rdn 15) dieser Feststellungsklage statt, so steht mit Rechtskraft dieses Urteils fest, dass im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat und nicht durch die vom Arbeitgeber geltend gemachten Beendigungstatbestände beendet worden ist.[100]

 

Rz. 86

Zum Auflösungsurteil siehe § 25, zum Urteil bei Änderungskündigungen siehe § 26, jeweils in diesem Handbuch.

[98] BAG v. 13.3.1997, AP Nr. 38 zu § 4 KSchG 1969; BAG v. 28.10.1993, AP Nr. 19 zu § 3 ArbGG 1979; BAG v. 27.1.1994, AP Nr. 28 zu § 4 KSchG 1969; BAG v. 28.2.1995, AP Nr. 17 zu § 17a GVG.
[100] Vgl. auch dazu BAG v. 16.12.2021, NZA 2022, 1005.

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