a) Typischer Sachverhalt

 

Rz. 110

Der Insolvenzverwalter möchte das Inventar in den Geschäftsräumen der A-GmbH im Gesamten verkaufen. Es bestehen offene Verbindlichkeiten aus dem Mietvertrag über die Geschäftsräume. Der Vermieter macht das Vermieterpfandrecht an dem Inventar geltend. Der Bürokopierer ist geleast. Außerdem erwägt der Verwalter, die aus den vorgelegten Kontoauszügen ersichtlichen Lastschriftzahlungen rückgängig zu machen und zieht Forderungen aus Dienstleistungen gegen einen früheren Kunden des Schuldners ein. Dieser erklärt die Aufrechnung mit eigenen Forderungen gegen den Schuldner.

b) Rechtliche Grundlagen

 

Rz. 111

Der Insolvenzverwalter hat die Gegenstände der Insolvenzmasse zu ermitteln und zu verwerten. Die Verwertung erfolgt i.d.R. durch freihändigen Verkauf, u.U. mit Hilfe eines professionellen Verwertungsunternehmens. Zur Insolvenzmasse gehört das gesamte Vermögen, das dem Schuldner im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung gehört, einschließlich des sog. Neuerwerbs, § 35 InsO.

aa) Aussonderungsrechte

 

Rz. 112

§ 47 InsO stellt klar, dass Aussonderungsgut nicht zur Insolvenzmasse gehört.

(1) Eigentumsvorbehalte

 

Rz. 113

Bei der Geltendmachung von Eigentumsvorbehalten ist zu unterscheiden, ob über das Vermögen des Käufers oder des Verkäufers das Insolvenzverfahren eröffnet wurde:

Wählt der Insolvenzverwalter in der Insolvenz des Käufers Erfüllung des Vertrages gem. § 103 InsO, wandeln sich die noch verbliebenen Kaufpreisraten in Masseschulden um, die der Verwalter zu erfüllen hat. In dem Fall fällt mit Zahlung der letzten Kaufpreisrate das Eigentum in die Insolvenzmasse. Ein Aussonderungsanspruch scheidet aus.[76] Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung ab, erlischt das Anwartschaftsrecht des Insolvenzschuldners, der Verwalter ist verpflichtet, den Kaufgegenstand dem Verkäufer herauszugeben. Bereits gezahlte Raten können vom Verkäufer gem. §§ 812 ff. BGB herausverlangt werden, der Verwalter muss sich aber den Schadensersatzanspruch aus § 103 Abs. 2 InsO gegen rechnen lassen.

Hinsichtlich der Erklärungsfrist des Verwalters räumt § 107 Abs. 2 S. 2 InsO eine Frist bis zu dem ersten Berichtstermin ein. Bis zum Berichtstermin kann der Käufer weder Herausgabe der Sache noch Zahlung des valutierenden Kaufpreises verlangen.

 

Rz. 114

In der Insolvenz des Verkäufers stehen dem Insolvenzverwalter nur die Rechte zu, die der Verkäufer aus dem Kaufvertrag hatte, § 107 Abs. 1 InsO. Der Erwerber kann die Erfüllung des Kaufvertrages verlangen und entsprechend Volleigentum erlangen.

[76] Vgl. zu den Rechtsfolgen: Schmidt, Karsten/Ringstmeier, § 107 Rn 27 ff.

(2) Verlängerter Eigentumsvorbehalt

 

Rz. 115

Tritt der Vorbehaltskäufer dem Vorbehaltsverkäufer die künftige Kaufpreisforderung ab oder gestattet dieser dem Vorbehaltskäufer die Verarbeitung der Ware unter dem Vorbehalt, dass der Vorbehaltsverkäufer Hersteller i.S.d. § 950 BGB ist, so erhält der Vorbehaltsverkäufer bei erfolgter Veräußerung oder Verarbeitung ein Absonderungsrecht.[77]

[77] BGHZ 98, 160; Schmidt, Karsten/Thole, § 47 Rn 38.

(3) Sicherungsübereignung

 

Rz. 116

Bei Insolvenz des Sicherungsnehmers ist der Sicherungsgeber berechtigt, bei vollständiger Befriedigung des Sicherungsnehmers die Aussonderung des Sicherungsgutes zu verlangen, soweit der Sicherungsnehmer unmittelbar im Besitz der Sache ist.[78] Fällt der Sicherungsgeber in die Insolvenz, steht dem Sicherungsnehmer ein Absonderungsrecht gem. § 51 Nr. 1 InsO zu.[79] Siehe Rdn 121, 124 f.).

[78] BGHZ 11, 41; Schmidt, Karsten/Thole, § 47 Rn 27.
[79] Vgl. Schmidt, Karsten/Thole, § 47 Rn 27.

(4) Ersatzaussonderung

 

Rz. 117

Wurde eine der Aussonderung unterliegende Sache oder ein solches Recht noch vor Insolvenzeröffnung oder nach Insolvenzeröffnung durch den Verwalter veräußert und steht die Gegenleistung noch aus, so erhält der Aussonderungsberechtigte das Recht auf die Gegenleistung (§ 48 InsO). Wurde die Gegenleistung hingegen bereits eingezogen, steht dem Aussonderungsberechtigten das Surrogat zu, soweit dieses noch unterscheidbar in der Masse vorhanden ist (z.B. bei Einzug einer Kaufpreisforderung auf ein eigens zu diesem Zweck eingerichtetes Treuhandkonto). Wurde es aber bereits mit anderen Massegegenständen vermengt (z.B. durch Einzug auf das allgemeine Insolvenzsonderkonto), verbleibt dem Aussonderungsberechtigten lediglich ein Bereicherungsanspruch gegen die Insolvenzmasse gem. § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO.[80] Ggf. stehen dem Aussonderungsberechtigten Ansprüche gegen den Insolvenzverwalter gem. § 60 ff. InsO zu.

[80] Vgl. Schmidt, Karsten/Thole, § 48 Rn 3.

(5) Checkliste: Lieferung unter Eigentumsvorbehalt

 

Rz. 118

Prüfung der Verträge und AGB sowie der Lieferscheine auf Eigentumsvorbehalt vor Antragstellung
Zum Zeitpunkt der Antragstellung noch kein Vollrechtsübergang
Bei Aufforderung des Vertragspartners gem. § 103 Abs. 2 S. 2 InsO zur Erklärung über Wahlrecht: Frist für die Ausübung des Wahlrechtes: Erster Berichtstermin, § 107 Abs. 2 S. 2 InsO, Ausnahme: vorzeitige Betriebsstilllegung, § 158 InsO
Bei Ablehnung der Erfüllung besteht Aussonderungsrecht

bb) Verwertung bei Absonderungsrecht

 

Rz. 119

Im Gegensatz zur Aussonderung, die auf die Herausgabe eines nicht zur Insolvenzmasse gerichteten Gegenstandes gerichtet ist, gewährt das Absonderungsrecht eine vorzugsweise...

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